Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
Camcorder auf dem Stuhl neben ihm. »Erzählen Sie uns doch mal, wie es dazu kam, dass Sie diese Richtung eingeschlagen haben.«
Albrecht schüttete Zucker in den zweiten Espresso und rührte ihn um. »Es hat sicherlich mit meinem Vater zu tun. Als ich klein war, ging er oft mit mir ins Kino. Er war sehr an Kunst und Kultur interessiert und in diesem Bereich sehr engagiert, wissen Sie. Aus irgendeinem Grund haben mich schon relativ früh Dokumentarfilme fasziniert.«
»Wissen Sie noch, welcher Film Ihnen am besten gefallen hat?«
»Ich glaube, der Film, der für mich entscheidend war, hieß Im Schatten der Stars .« Sein Blick wanderte zwischen Jessica und Byrne hin und her. »Hat einer von Ihnen den Film mal gesehen?«
Jessica kannte den Film nicht.
»War das nicht die Dokumentation über die Mitglieder des Opernchores?«, fragte Byrne.
»Ja!«, rief Albrecht begeistert und schaute sich sofort in dem Café um. »Verzeihung. Das war ziemlich laut, nicht wahr?«
Byrne lächelte. »Das ist hier kein Problem.«
»Als ich den Film im zarten Alter von sieben Jahren gesehen habe, ging mir auf, dass ich Filme über ganz normale Menschen drehen könnte. Nichts langweilt mich mehr als berühmte Persönlichkeiten. Ich sehe niemals fern.«
»Ich finde, der Film ist für einen Siebenjährigen recht anspruchsvoll«, meinte Byrne.
Albrecht trank den zweiten Espresso aus und nickte. »Wie schon gesagt, ging das Interesse meines Vaters an Kunst und Kultur mit großem Engagement einher. Wenn ich mich nicht irre, haben wir den Film im Rahmen einer Benefizveranstaltung gesehen. Dieser Film hat mich geprägt. Vor allem die Musik hat mich beeindruckt. Insbesondere die Möglichkeiten der Tonbearbeitung.«
Plötzlich ging Jessica ein Licht auf. »Warten Sie mal. Ihr Vater war Jonas Albrecht?«
»Ja.«
Mehr als fünfundzwanzig Jahre lang war Jonas Albrecht eine echte Naturgewalt in der Kunstszene, Geschäftswelt und Politik von Philadelphia gewesen – einer der Direktoren der renommierten Pennsylvania Society. Albrecht war ein reicher Mann, der sein Vermögen mit Immobilien gemacht hatte. Er gründete eine Reihe von Organisationen und war eng mit dem Philadelphia Orchestra verbunden. 2003 kam er auf tragische Weise ums Leben, als er von Autodieben überfallen und erschossen wurde. Jessica hatte damals schon bei der Polizei gearbeitet, aber noch nicht in der Mordkommission. Sie wusste nicht genau, ob der Fall jemals aufgeklärt worden war.
»Das war eine entsetzliche Tragödie«, sagte Byrne. »Es tut uns schrecklich leid.«
Albrecht nickte. »Danke.«
Wir sind die Summe unserer Erfahrungen, dachte Jessica. Vielleicht hätte David Albrecht einen anderen Weg gewählt, wenn sein Vater nicht bei diesem schrecklichen Überfall zu Tode gekommen wäre. Es hatte lange gedauert, bis Jessica begriff, dass auch ihr Leben ohne ihre eigenen Tragödien sicherlich eine andere Richtung genommen hätte. Eine dieser Tragödien war der Tod ihres Bruders Michael, der 1991 in Kuwait ums Leben kam. Bis zu diesem schicksalhaften Tag hatte Jessica an der juristischen Fakultät studiert. Michael wollte in die Fußstapfen seines Vaters treten und zur Polizei gehen. Das Leben nahm oft unerwartete Wendungen.
Byrne und David Albrecht unterhielten sich über Dokumentarfilme, doch das war nicht Jessicas starke Seite. Darum klinkte sie sich aus dem Gespräch aus. Als sie sich den Film This is Spinal Tap angesehen hatte, begriff sie erst nach einer Stunde, dass es sich um eine Parodie handelte. Jessica holte ihr iPhone aus der Tasche und suchte Tattoo-Studios in Philadelphia. Sie rief bei einigen an und erfuhr, dass sie keine Abziehtattoos verkauften. Die letzte Nummer, die sie wählte, war die eines Kaufhauses in der South Street. Dort nannte man ihr die Adresse eines Studios in der Chestnut Street, das kürzlich eröffnet hatte und Ephemera hieß. Die junge Frau sagte, dieses Studio verkaufe auch Abziehtattoos und habe einen guten Ruf.
Ephemera befand sich im ersten Stock eines Reihenhauses, das in Geschäftsräume umgebaut worden war. In dem kleinen Laden im Erdgeschoss wurden asiatische Spezialitäten verkauft.
Während David Albrecht ein paar Außenaufnahmen des Gebäudes machte, stiegen Jessica und Byrne die schmale Treppe hinauf und öffneten die Mattglastür.
Im Eingangsbereich von Ephemera brannten Dutzende von Kerzen. An den Wänden hingen Wandteppiche in Magentarot und Gold. Möbel und Stühle gab es hier keine, nur Kissen auf dem Boden. Es
Weitere Kostenlose Bücher