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Echo des Blutes: Thriller (German Edition)

Echo des Blutes: Thriller (German Edition)

Titel: Echo des Blutes: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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und wünschte sich, von den Gästen selbst zu hören, ob sie zufrieden oder unzufrieden waren. Ein Kritiker auf tripadvisor.com hatte dem Le Jardin für die Sauberkeit nur einen Stern gegeben (für null Sterne gab es keine Option, sonst hätte dieser Kritiker sie bestimmt gewählt). Er ging sogar so weit, das Hotel hinsichtlich der Sauberkeit mit einer Umkleidekabine im YMCA in der Stadtmitte zu vergleichen. Der Kritiker beklagte sich vor allem, er habe, als er nach dem Einchecken das Badezimmer betrat, feststellen müssen, dass auf der Toilette nicht abgezogen worden war. In Lucys Augen war der Typ, der diese Kritik geschrieben und ins Netz gestellt hatte, ein Scheißkerl und die Toilette garantiert nicht schmutzig gewesen. Die Gefahr, dass so etwas jemals passierte, tendierte praktisch gegen null. Dennoch arbeitete Lucy in den nächsten zwei Wochen mit doppelter Energie auf ihrer Etage, der zwölften, und überprüfte die Toiletten zwei Mal, ehe sie das Zimmer für die neuen Gäste freigab.
    Meistens war der hohe Anspruch, den sie an ihre Arbeit stellte, für sie die größte Belohnung – Gott wusste, dass es die Bezahlung nicht war –, aber manchmal – nicht oft – gab es auch unerwartet ein Trinkgeld.
    Ungefähr vor fünf Monaten hatte ein Gast, ein älterer, vornehmer Herr, der sechs Tage geblieben war, nach dem Auschecken einen Hundert-Dollar-Schein mit einem Zettel unters Kopfkissen gelegt, auf dem stand: Für das Mädchen mit dem gehetzten Blick – gute Arbeit.
    Gehetzter Blick, musste Lucy damals immer denken. Anschließend trug sie wochenlang auf dem Weg von und zur Arbeit eine Sonnenbrille.
    Im Augenblick hätte Lucy gerne den Mann in Zimmer 1212 erwürgt. Es war schier unglaublich: verschütteter Kaffee auf dem Stuhl, befleckte Kissenbezüge, zerbrochene Bierflaschen in der Badewanne, ein umgekipptes Frühstückstablett, ein mit Haaren verstopftes Waschbecken, Tuben mit Shampoo und Haarspülung unter dem Bett, wo auch zwei Garnituren schmutzige Unterwäsche lagen; alle Handtücher tropfnass und auf dem Boden. Lucy war einiges gewohnt, aber so etwas hatte sie noch nicht erlebt. In einem der Handtücher klebte ein großer Klumpen Erbrochenes.
    Mein Gott, was für ein Schwein!
    Lucy musste sich ranhalten. Vor der Mittagspause musste sie noch vier Zimmer sauber machen und hatte dafür knapp zwei Stunden Zeit. Die Hausdame wusste ganz genau, wann sie mit einem Zimmer begann. Wenn Lucy länger als vierzig Minuten brauchte, merkte sie es sofort.
    An normalen Tagen musste jedes Zimmermädchen vierzehn Zimmer reinigen. Wenn man schnell war – und die neunzehnjährige Lucy sprühte nur so vor Energie –, konnte man »Pluspunkte« sammeln, indem man andere Zimmer übernahm. Das war bei Lucy oft der Fall. Sie machte ihre Arbeit gut und verwickelte die Gäste auf den Gängen nur selten in Gespräche. Lucy war stets höflich und bot mit dem dezenten Make-up, den kornblumenblauen Augen und dem karamellbraunen Haar einen hübschen Anblick. Die Arbeitskleidung passte der schlanken jungen Frau immer wie angegossen. Mehr als einmal hatte sie bemerkt, dass männliche Gäste ihr mit den Blicken folgten.
    Obwohl die Arbeit nicht sehr anspruchsvoll war, musste man sich verdammt konzentrieren. Der Unterschied zwischen einem Hotel mit dreieinhalb Sternen und mit vier Sternen lag oft nur in der Einstellung und den Details.
    Auf einige Dinge hatten die Angestellten keinerlei Einfluss. Dazu gehörten zum Beispiel die Qualität der Bettwäsche und der Handtücher und die Entscheidung, ob Mundwasser ins Badezimmer gestellt wurde oder nicht und ob es am Abend einen Zimmerservice gab, der das Aufdecken des Bettes einschloss. Andere Dinge hingegen fielen in die Verantwortung der Zimmermädchen.
    Heute checkten die Teilnehmer einer dreitägigen Tagung im Hotel ein. Es handelte sich um eine Gruppe namens Société Poursuite. Wie Lucy es verstanden hatte, befassten sich diese Leute mit ungelösten Mordfällen, was sie als eine Art ausgefallenes Hobby betrieben. Sie hatten ein Drittel aller Zimmer gebucht, inklusive der gesamten zwölften Etage.
    Lucy ging mit ihrem gesunden Menschenverstand davon aus, dass Société Society bedeutete, und sie hoffte nur, dass das andere Wort nicht Schwein hieß.
    Als Lucy mit Zimmer 1212 fertig war, dachte sie über ihren Termin in der Mittagszeit nach.
    Sie hatte in den letzten neun Jahren so viele sogenannte Fachleute kennengelernt, so viele Menschen, die zu wissen glaubten, was mit ihr nicht

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