Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
einmal in ein Schwimmbecken sprang, gingen sie normalerweise ab.
»Hat er noch andere Tattoos?«
»Erstaunlicherweise nicht«, sagte Weyrich.
»Und warum, glauben Sie, ist dieses hier interessant für uns?«
Weyrich richtete Jessicas Lupe auf eine Stelle der linken Schulter des Opfers. Jessica sah einen blassen Fleck, der nur ein paar Millimeter groß war und dieselbe Farbe hatte wie das Gelb des Löwentattoos.
»Ich glaube, das hier ist zu derselben Zeit entstanden«, sagte Weyrich. »Ich glaube, der Täter hat das Tattoo aufgetragen und dann diesen Fleck hinterlassen, als er die Leiche umgedreht hat.«
Jessica sah keine Rillen auf dem Fleck. Das war kein Fingerabdruck, was darauf schließen ließ, dass der Täter Handschuhe getragen hatte.
»Und das führt uns zu den beiden anderen Kunstwerken auf dem Körper der Leiche«, sagte Weyrich. Er zog das Laken nach unten, worauf der Bereich genau über dem Rippenbogen auf der rechten Seite sichtbar wurde. Dort waren die beiden unverkennbaren Wunden einer Elektroschockpistole, rotviolette Flecken, die aussahen wie der Biss eines Vampirs.
»Er wurde mit einem Taser außer Gefecht gesetzt«, sagte Jessica.
Weyrich nickte. Jessica dachte an die minutiöse Planung bei diesem Mord. Der Schnitt auf der Stirn des Mannes, die Stichwunde, die ihm offenbar an einer ganz bestimmten Stelle zugefügt wurde, die Rasur des gesamten Körpers. Das war jedenfalls kein Mord im Affekt, sondern ein eiskalter, geplanter, vorsätzlicher Mord.
»Was ist mit der Rasur?«, fragte Jessica.
»Ich glaube, sie wurde nach Eintritt des Todes durchgeführt, ohne eine Lotion oder eine Rasiercreme aufzutragen.« Weyrich zeigte auf ein paar Stellen, wo die Haut stark aufgescheuert war. »Ich nehme an, der Täter hat ihn schnell mit einem Haartrimmer rasiert und nicht mit einem Rasierapparat. Darum musste er das Gerät fester auf die Haut drücken. Er hat aber dennoch nicht die gesamte Behaarung abrasiert.«
Jessica machte sich Notizen, während Byrne nur zuhörte. Das war ihre übliche Vorgehensweise in der Rechtsmedizin.
Weyrich richtete die Lupe auf die Stirn des Opfers und deutete auf den geraden Schnitt unterhalb des Haaransatzes. Im grellen Licht sah er wie eine tödliche Wunde aus, als hätte der Mörder versucht, Kenneth Beckmans Schädeldecke aufzusägen.
»Dieser Schnitt wurde ihm mit einem scharfen Rasiermesser oder einem Skalpell beigebracht«, erklärte Weyrich ihnen. »Der Täter hat darauf geachtet, nicht zu tief in die Haut zu schneiden. Es gehört schon etwas Geschicklichkeit dazu. Der Schnitt am rechten Ohr wurde nicht annähernd so sauber ausgeführt.«
Jessica schaute auf das Ohr des Opfers. Das geronnene Blut hatte eine schuppige braune Masse gebildet. »Können Sie uns sagen, ob der Täter Rechts-oder Linkshänder ist?«, fragte sie.
»An dieser Wunde können wir das leider nicht erkennen. Wenn er Rechtshänder ist, hätte er vermutlich auf der linken Seite begonnen und das Messer nach rechts gezogen. Das wäre die normale Vorgehensweise. Aber nur, wenn er mit gespreizten Beinen über dem Opfer stand.« Weyrich beugte sich über die Leiche und tat so, als würde er eine Klinge von links nach rechts über die Stirn des Opfers ziehen. »Wenn er jedoch hier gestanden hat …« Weyrich stellte sich genau neben den Kopf der Leiche. »… dann könnte er denselben Schnitt als Linkshänder von rechts nach links ausgeführt haben.«
»Und der Schnitt wurde dem Opfer zugefügt, als es noch gelebt hat?«, fragte Byrne.
»Ja.«
»Was hat er gemacht, damit das Opfer den Kopf nicht bewegt?«
»Gute Frage.« Weyrich zeigte auf vier kleine bläuliche Flecken am Kopf des Toten. Auf beiden Seiten der Stirn unmittelbar über den Schläfen befanden sich runde, etwa einen Zentimeter große Abdrücke und auf beiden Seiten des Unterkiefers ebenfalls. »Sein Kopf wurde an diesen vier Punkten fixiert.«
»Mit einer Art Schraubzwinge?«, fragte Byrne.
»Ich glaube, der Täter hat ein Gerät benutzt, das sich viel besser eignet und viel teurer ist. Es könnte eine Art chirurgischer Zwinge gewesen sein. Wenn Schädeloperationen durchgeführt werden, ist es von größter Bedeutung, dass der Patient sich nicht bewegt. Zum Glück haben wir dieses Problem hier bei uns nicht. Unsere Patienten zappeln nicht mehr herum.«
»Meinen Sie, unser Täter könnte eine medizinische Ausbildung haben?«
»Könnte sein.«
Jessica betrachtete die blauen Flecken und dachte an das grausame Gefühl, den Kopf
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