Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
paar Haare auf Byrnes Schultern. Sie bürstete sie mit den Händen weg.
»Warst du beim Friseur?«
»Ja«, erwiderte er. »Ich bin einfach da rein und hab mir die Haare schneiden lassen.«
»Du bist da einfach so rein?«
»Ja. Nicht gut?«
»Doch, sieht gut aus. Ich bin nur noch nie spontan zum Friseur gegangen. Ich brauche vier bis sechs Wochen, um mich zu entscheiden, dann ringe ich noch einen Monat mit der Entscheidung und frage hundert Leute nach ihrer Meinung. Irgendwann melde ich mich dann tatsächlich an und sag den Termin in letzter Minute wieder ab. Für mich verändert ein Friseurbesuch mein ganzes Leben.«
»Für mich ist es nur ein Haarschnitt.«
»Du hast es leicht.«
»Ja. Mein Leben ist ein Wunschkonzert.«
Jessica hob ein paar Kartons hoch, die zum Glück leicht waren. Wenigstens hatte sie die Kartons in den letzten Jahren mit Etiketten versehen. Auf einem stand DEKOMATERIAL ST. PATRICK’S DAY. Jessica konnte sich nicht erinnern, jemals Dekomaterial für den St. Patrick’s Day gekauft oder das Haus an dem Tag geschmückt zu haben. Wahrscheinlich würde sie das Zeug trotzdem aufheben, auch wenn sie es nie benutzen würde. Sie stellte den Karton oben an die Treppe und drehte sich um.
»Darf ich dich etwas fragen?«, sagte sie.
»Nur zu.«
»Wie oft bist du in den letzten zehn Jahren umgezogen?«
Byrne dachte kurz nach. »Vier Mal. Warum?«
»Ich weiß nicht. Mich würde interessieren, ob du an vollkommen wertlosem, nutzlosem Zeug hängst.«
»Nein«, sagte Byrne. »Alles, was ich habe, brauche ich unbedingt. Ich lebe spartanisch.«
»Okay. Du solltest wissen, dass ich mal mit Donna über dieses Thema gesprochen habe.«
»Ach ja?«
Jessica hatte sich im Laufe der letzten Jahre mit Byrnes Exfrau Donna angefreundet.
»Ja. Und sie hat mir erzählt, dass du damals, als ihr von der Wohnung in das Haus gezogen seid, als Erstes dein Roger-Ramjet-Nachtlicht eingepackt hast.«
»Eh! Aus reinen Sicherheitsgründen, okay?«
»Ach so. Hast du es noch?«
»Nein. Jetzt hab ich ein Steve-Canyon-Nachtlicht. Roger Ramjet ist nur was für Kinder.«
»Pass auf. Ich sag’s dir, wenn du es sagst.«
Dieses Spiel, das sie mitunter spielten, ähnelte dem Spiel Wahrheit oder Pflicht, ohne die Pflicht. In neunundneunzig Prozent der Fälle war die Stimmung unbeschwert, selten auch ernst, aber heute nicht. Es gab dennoch Regeln.
»Klar«, stimmte Byrne zu. »Du fängst an.«
»Okay. Was ist das peinlichste Kleidungsstück, das du noch besitzt? Ich meine etwas, das du nie mehr anziehen wirst, nicht in tausend Jahren, aber von dem du dich trotzdem nicht trennen kannst.«
»Die Frage kann ich leicht beantworten.«
»Wirklich?«
»Klar. Eine knallenge grüne Samthose in Größe 33, unter der sich alles abgezeichnet hat.«
Jessica hätte beinahe losgelacht. Stattdessen räusperte sie sich. Zu den Regeln des Spiels gehörte es, nicht zu lachen. »Wahnsinn«, stieß sie schließlich hervor.
»Wahnsinn, weil mir mal eine Hose in 33 gepasst hat oder weil sie aus grünem Samt ist?«
Egal, wie sie die Frage beantwortete, sie würde auf jeden Fall ins Fettnäpfchen treten. Jessica entschied sich für den grünen Samt.
»Tja, ich hab sie in meiner Thin-Lizzy-Zeit in New York gekauft. Ich wollte wie Phil Lynott aussehen. Du hättest mich sehen sollen.«
»Dafür würde ich eine Menge Geld hinlegen. Viele Kolleginnen bestimmt auch.«
»Und was ist mit dir?«
Jessica schaute auf die Uhr. »Oje. Sieh mal, wie spät es ist.«
»Jess.«
»Okay. Als ich neunzehn war und zur Temple University ging, hatte ich ein Date mit diesem Jungen – Richie Randazzo. Er lud mich zur Hochzeit seines Cousins in Cheltenham ein, und ich habe drei Monate gespart, um mir das süßeste, kleine rote Kleid bei Strawbridge’s zu kaufen. Es ist in Größe 36. Ich hab es noch immer.«
»Jetzt sag nicht, Größe 36 passt dir nicht mehr?«
»Du bist der großartigste Mann, der jemals gelebt hat.«
»Das ist doch wohl klar. Eine Frage noch.«
»Ja?«
»Du bist mit einem Jungen namens Richie Randazzo ausgegangen?«
»Wenn man mal von der Mantamatte, dem durchgerosteten Toronado mit dem mit Pelz umrandeten Rückspiegel und der Tatsache, dass er Southern Comfort und Vernor’s getrunken hat, absieht, war er eigentlich ganz süß.«
» Ich hatte wenigstens nie eine Mantamatte. Nie.«
»Ich könnte Donna mal fragen.«
Byrne warf einen Blick auf die Uhr. »Sieh mal, wie spät es ist.«
Jessica begann zu lachen und ersparte es Byrne,
Weitere Kostenlose Bücher