Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
spärlichen Informationen, die sie im ViCAP gefunden hatte. Dann nahm Jessica ihre Notizen und informierte Byrne über die Details, die das zweite heute aufgefundene Opfer betrafen. Ein Schwarzer Mitte fünfzig, nicht identifiziert. Die ersten Befragungen brachten keine neuen Erkenntnisse.
»Wurden seine Fingerabdrücke schon genommen?«, fragte Byrne.
»Die Leiche ist auf dem Weg in die Rechtsmedizin. Der Boss hat Russ Diaz und sein Team auf den Fall angesetzt. Russ hat vier Jahre als Profiler gearbeitet. Ich hab das Gefühl, wir werden ihn brauchen.«
»Was ist mit den Signaturen?«
»Identisch«, sagte Jessica.
Sie wandten sich den Akten auf dem Schreibtisch zu. Drei Leichen. Drei identische Mordmethoden. Kenneth und Sharon Beckman standen in einer Beziehung zu dem Mord an Antoinette Chan. Im Fall von Serienmorden war es oberstes Gebot, eine Verbindung zwischen den Opfern herzustellen, Übereinstimmungen aufzuspüren, die zu einem gemeinsamen Nenner in allen Fällen führen konnten – Job, Familie, Freundeskreis – und schließlich zum Mörder. Die Verbindung zwischen Kenneth und Sharon Beckman lag auf der Hand. Ob es auch zwischen ihnen und dem neuen Opfer eine Verbindung gab, mussten sie erst noch herausfinden.
»Ich hatte übrigens Knoblauchgarnelen für dich bestellt«, sagte Jessica. »Aber die sind schon alle weg. Du weißt ja, dass die Leute hier wie die Heuschrecken über chinesisches Essen herfallen.«
»Ich hab im Krankenhaus gegessen und Nachtisch mitgebracht.« Byrne hielt eine weiße Tüte hoch.
Jessica setzte sich kerzengerade hin. Nachtisch! Das hörte sich gut an. Sie streckte den Arm aus, worauf Byrne ihr die Tüte reichte.
Jessica öffnete sie und sah, dass es ein Apfelring aus der Bäckerei in der Siebzehnten war, wo sie besonders gut schmeckten.
»Was hast du denn in der Siebzehnten gemacht?«, fragte sie.
»Ich hab bei jemandem einen Vorverstärker abgeholt.«
»Und was hast du damit vor?«
»Ich will alle meine alten Schallplatten digitalisieren. Einige davon sind noch Schellackplatten mit 78 Umdrehungen, und ich möchte versuchen, den Klang zu verbessern.«
Jessica nahm den Apfelring aus der Tüte. Sie konnte nicht warten, bis sie in die Jahre gekommen war, wo ihr das Gewicht völlig egal wäre und sie das Hüftgold ohnehin nicht mehr abwenden könnte.
Oder wenn sie wieder schwanger sein würde. Schwanger war besser.
Sie biss in den Apfelring. Er schmeckte himmlisch. »Du kannst so oft zum MRT gehen, wie du willst.«
»Wir müssen unsere Aussagen machen.«
Jessica nickte und wischte sich die Lippen ab. Sie hatten Sharon Beckman gestern befragt, und jetzt war die Frau einem Mord zum Opfer gefallen. Vielleicht waren sie die Letzten, die sie lebend gesehen hatten.
Der Anruf kam kurz nach vier. Nicci Malone und Nick Palladino waren in der Rechtsmedizin, wo nun die dritte Leiche untersucht werden sollte. Jessica schaltete den Lautsprecher ein.
»Wir sind in der Rechtsmedizin«, sagte Nicci. »Ich sollte doch anrufen, oder?«
»Ja«, sagte Jessica. »Habt ihr die Hände des Opfers auf Tattoos überprüft?«
»Nein. Wir haben ihm am Tatort Beutel über die Hände gestülpt. Sollen wir es jetzt tun?«
»Ja.«
Die nächste Minute dauerte für Jessica und Byrne eine gefühlte Stunde. Sie liefen beide schweigend auf und ab. Dann hörten sie etwas rascheln, und Nicci meldete sich wieder.
»Jess?«
»Ja, Nicci. Hat er ein Tattoo?«
»Ja. Es ist das Tattoo eines Schwans. Ein winziger blauer Schwan. Er ist auf dem Zeigefinger der linken Hand.«
Jemand zog mordend durch Philadelphia, und sie mussten alle Kräfte mobilisieren, um ihn zu stoppen. Die Tatsache, dass sie Kenneth Beckmans Leiche in der Nähe einer Grundschule gefunden hatten, rief zwei weitere Behörden auf den Plan. Diese hatten bereits Mitarbeiter zur Washington Elementary School geschickt.
In den kommenden Stunden würde die Maschinerie für Ermittlungen in einer Mordserie anlaufen. Detectives, die frei hatten, müssten zum Dienst gerufen werden, und für verschiedene Sektionen des kriminaltechnischen Labors würde Bereitschaftsdienst angeordnet.
»Kannst du ein Foto von dem Tattoo machen und es mir schicken?«, fragte Jessica.
»Klar.«
Ein paar Minuten später erhielt Jessica das Bild auf ihrem Handy. Sie hielt es neben die Fotos der Tattoos von Kenneth und Sharon Beckman. Es war ein Tattoo derselben Machart. Jessica loggte sich auf der Webseite von World Ink ein, gab das Wort »Schwan« in das Suchfeld ein
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