Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
erhöht die Musik den Augenblick.
Manchmal ist es genau umgekehrt.
41.
Das Schlaflabor im Klinikum der University of Pennsylvania war in einem modernen Gebäude aus Glas und Stahl in der Market Street nahe der Sechsunddreißigsten untergebracht.
Byrne fuhr gegen sechs Uhr über den Fluss, suchte sich einen Parkplatz und meldete sich an der Rezeption an. Er legte seine Versicherungskarte vor, nahm Platz und blätterte schnell ein Exemplar von Neurology Today durch, die seit jeher zu seinen Lieblingszeitschriften gehörte. Im Wartezimmer saßen ein halbes Dutzend Leute. Byrne musterte sie verstohlen. Es wunderte ihn nicht, dass sie alle erschöpft, zerschlagen und übermüdet aussahen. Er hoffte, es waren alles neue Patienten. Der Gedanke, dass sie noch immer so schlecht aussahen, obwohl es schon ihr zwanzigster Termin war, war nicht sehr angenehm.
»Mr. Byrne?«
Byrne hob den Blick. Am Ende der langen Theke stand eine Frau mit blondem Haar, die er auf knapp über eins fünfzig schätzte. Sie war Anfang vierzig und trug eine Brille mit rosafarbenem Rahmen. Sie schien putzmunter zu sein und sprudelte nur so vor Energie. Menschen, die an Schlaflosigkeit litten, hassten Energiebündel.
Byrne stand auf und ging auf die putzmuntere Frau in dem weißen Kasack zu.
»Hallo!«, trällerte sie. »Wie geht es Ihnen heute?«
»Es ging mir nie besser«, erwiderte Byrne. Das war natürlich Quatsch. Wenn es so gewesen wäre, hätte er sich kaum in einem Krankenhaus aufgehalten. »Und Ihnen?«
»Super!«, rief sie.
Auf ihrem Namensschild stand Viv. Der Name passte irgendwie zu ihr.
»Wir müssen Ihre Größe und Ihr Gewicht messen.« Sie führte ihn zu der Digitalwaage und bat ihn, die Schuhe auszuziehen. Byrne stellte sich auf die Waage.
»Ich möchte mein Gewicht nicht wissen, okay?«, sagte Byrne. »In letzter Zeit habe ich … Ich weiß nicht. Wahrscheinlich die Hormone, nehme ich an.«
Viv lächelte, verzog entsetzt den Mund und schrieb Byrnes Gewicht kommentarlos auf. »Wenn Sie sich jetzt mit dem Rücken an die Wand hier stellen würden, können wir Ihre Größe messen.«
Byrne drehte sich um. Viv stieg auf eine Fußbank, schob den Schieber des Stadiometers nach oben und dann langsam nach unten, bis er auf Byrnes Kopf lag. »Was ist mit Ihrer Größe?«, fragte sie. »Möchten Sie wissen, wie groß Sie sind?«
»Ich glaube, mit meiner Größe komme ich klar. Ich meine psychisch.«
»Sie sind noch immer eins zweiundneunzig.«
»Gut. Dann bin ich noch nicht geschrumpft.«
»Nein. Sie müssen sich in kaltem Wasser waschen.«
Byrne lächelte. Er mochte Viv trotz ihres überschäumenden Temperaments. »Kommen Sie bitte«, sagte sie.
Byrne saß in dem kleinen, fensterlosen Untersuchungsraum. Während er wartete, blätterte er die beiden zerknitterten Zeitschriften durch. Dem Leser wurden unter anderem ein Dutzend neue Rezepte für Hähnchengerichte in dreißig Minuten und ein paar Tipps präsentiert, wie man Flecken von Welpen aus der Polstergarnitur entfernte.
Ein paar Minuten später kam die Ärztin herein, eine recht attraktive Asiatin um die dreißig. An ihrem Kittel hing ein Namensschild mit Foto. Sie hieß Michelle Chu.
Zuerst sprachen sie kurz über das Wetter und die verrückten Autofahrer im Parkhaus. Dr. Chu las Byrnes Krankenbericht auf dem LCD-Monitor durch. Als sie genügend Informationen hatte, drehte sie sich auf dem Stuhl um und schlug die Beine übereinander.
»Wie lange leiden Sie schon an Schlaflosigkeit?«
»Ich will es mal so ausdrücken«, sagte Byrne. »Schon so lange, dass ich mich kaum noch erinnern kann.«
»Haben Sie Probleme, einzuschlafen oder durchzuschlafen?«
»Beides.«
»Wie lange dauert es in der Regel, bis Sie einschlafen?«
Die ganze Nacht, dachte Byrne. Aber er wusste, was sie meinte. »Vielleicht eine Stunde.«
»Wachen Sie nachts auf?«
»Ja. Mindestens ein Dutzend Mal.«
Die Finger der Ärztin flogen über die Tastatur, als sie sich noch ein paar Notizen machte. »Schnarchen Sie?«
Byrne kannte die Antwort auf die Frage. Er wollte ihr aber nicht sagen, woher er es wusste. »Nun, im Augenblick habe ich keine feste …«
»Partnerin?«
»Ja«, sagte Byrne. »Genau. Meinen Sie, Sie könnten mir ein Rezept für eine feste Partnerin ausstellen?«
Die Ärztin lachte. »Könnte ich schon, aber ich glaube nicht, dass Ihre Versicherung sie bezahlen würde.«
»Wahrscheinlich haben Sie recht. Die sind kaum bereit, die Kosten für Stilnox zu übernehmen.«
Stilnox.
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