Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
lachte. »Apropos, wie hast du dich in dem neuen Haus eingelebt?«
»Tja, abgesehen davon, dass ich ständig über die Möbel stolpere und mich fünf Minuten im Kreis drehe, weil ich keinen Platz finde, um eine Kaffeetasse abzustellen, ist es großartig.«
»Ist es wirklich so klein?«
Jessica nickte. »Es ähnelt dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Derselbe Schnitt. Das einzige Problem ist, dass ich damals viel kleiner war.«
»Da war dir selbst Größe 36 noch zu groß, was?«
»Klugscheißer.«
Byrnes Handy klingelte. Er schaute aufs Display und lächelte.
»Eine SMS von Colleen«, sagte er. »Sie wollte mich nur informieren, dass sie heil aus Washington zurückgekehrt ist.«
Jessica nickte. »Wahnsinn. Colleen geht aufs College.«
»Erinnere mich nicht daran.«
Byrne nahm einen dicken Stapel Post in die Hand, der mit einem Gummi umwickelt war. Der Packen sah aus wie die Post von zwei Wochen, von der das meiste vermutlich im Papierkorb landen würde. Jessica wollte ihren Partner schon darauf hinweisen, dass es eine gute Idee wäre, ab und zu die Post anzuschauen, doch das wusste er sicherlich selbst.
Während Byrne den Stapel durchsah und das meiste in den Papierkorb warf, roch Jessica den Duft des parfümierten Briefes, noch ehe sie ihn sah. Er roch nach Jasmin. Byrne hob den Briefumschlag hoch, betrachtete ihn und schnupperte daran. Er hatte die Größe einer Grußkarte. Das Papier sah teuer aus.
»Ein Brief von einer Verehrerin?«, fragte Jessica.
»Wohl kaum«, erwiderte Byrne.
»Das liegt an deinem grauen Anzug, Kevin. Ich hab’s gleich gesagt.«
Byrne nahm einen Brieföffner vom Schreibtisch, schlitzte den Umschlag auf und zog die Karte heraus.
Obwohl Jessica gerne einen Blick darauf geworfen hätte, trat sie ein paar Schritte zur Seite, um die Intimsphäre ihres Partners nicht zu verletzen. Sie packte alles, was sie mitnehmen wollte, in ihre große Tasche. Als sie Byrne kurz darauf einen Blick zuwarf, war er aschfahl im Gesicht. Offenbar stimmte etwas nicht.
»Was ist?«, fragte Jessica.
Byrne schwieg.
»Kevin.«
Es dauerte einen Augenblick, bis Byrne sich ein wenig gefangen hatte. Dann umfasste er Jessicas Arm, führte sie in den kleinen Pausenraum und schloss die Tür. Er gab ihr die Karte. Sie bestand aus hochwertigem elfenbeinfarbenem Papier. Der Jasminduft war jetzt noch stärker. Jessica setzte die Brille auf und las die kurze Mitteilung, die in eleganter Handschrift mit lavendelfarbener Tinte geschrieben war.
Lieber Detective Byrne,
es ist lange her, nicht wahr? Ich frage mich, wie es Ihnen ergangen ist. Denken Sie manchmal an mich? Ich denke oft an Sie. Gestern habe ich sogar von Ihnen geträumt. Das erste Mal seit Jahren. Sie sahen elegant aus in Ihrem dunklen Mantel und mit dem schwarzen Fedora-Hut. Sie hatten einen Regenschirm mit einem geschnitzten Elfenbeingriff dabei. Nehmen Sie immer einen Regenschirm mit? Nein, ich glaube nicht.
Sagen Sie, haben Sie sie schon gefunden? Den Löwen, den Hahn und den Schwan? Gibt es noch andere? Sie meinen vielleicht, es bestünde keine Verbindung zwischen ihnen, doch es gibt eine. Ich hoffe, es geht Ihnen gut und die Zukunft bringt Ihnen Glück. Ich habe keine Angst mehr.
C.
Jessica war sprachlos. Sie las den Brief ein zweites Mal. Der starke Jasminduft stieg ihr zu Kopf.
»Was hat das zu bedeuten?«, flüsterte sie schließlich gut hörbar. »Der Löwe, der Hahn und der Schwan?«
Byrne schwieg.
»Wer zum Teufel hat dir das geschickt, Kevin? Wer ist C.?«
Byrne drehte den Briefumschlag immer wieder in den Händen hin und her und suchte nach Worten. Normalerweise war er um Worte nicht verlegen. Er wählte sie stets sorgfältig. Das konnte er gut.
Er erzählte ihr die ganze Geschichte.
39.
Jessica musterte ihren Partner. Sie wusste nicht, wie lange sie ihn schon mit offenem Mund und gerunzelter Stirn anstarrte. »Unglaublich«, stieß sie schließlich hervor.
Byrne erwiderte nichts.
»Ich erinnere mich an sie«, sagte Jessica. »Ich meine, ich erinnere mich an den Fall. Ich glaube, mein Vater sprach darüber. Außerdem stand es damals in allen Zeitungen.« Obwohl Jessica in jener Zeit noch zur Highschool ging, hatte sie mit ihren Freunden über den Fall gesprochen, vor allem weil es dabei um Sex, Gewalt und eine berühmte Persönlichkeit ging.
Im November 1990 war eine Frau namens Christa-Marie Schönburg, eine Cellistin des Philadelphia Orchestra, verhaftet und des Mordes an einem Mann namens Gabriel Thorne beschuldigt
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