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Echo Einer Winternacht

Titel: Echo Einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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solltest. Die Polizei glaubt, dass es Brandstiftung war.«
     
    Weird neigte gewichtig den Kopf. »Das hatte ich befürchtet.«
    »Ja? wieso?«
    »Ziggy hat einen gefährlichen Weg eingeschlagen. Wer weiß, was für Menschen er Zutritt in sein Heim gewährte. Wer weiß, welche gestörte Seele er zu verzweifelten Handlungen getrieben hat?«
    Alex schlug mit der Faust auf das Steuerrad. »Verdammt noch mal, Weird. Ich dachte, in der Bibel steht: ›Richtet nicht, dann werdet ihr auch nicht gerichtet‹? Für wen hältst du dich eigentlich, zum Teufel, solchen Quatsch von dir zu geben?
    Welche Vorurteile du auch in Bezug auf Ziggys Leben haben magst, leg sie gefälligst sofort ab. Ziggy und Paul waren sich treu. Keiner hatte in den letzten zehn Jahren Sex mit irgendeinem anderen.«
    Weird setzte ein leichtes, herablassendes Lächeln auf, so dass Alex ihm am liebsten eine runtergehauen hätte. »Du hast immer alles geglaubt, was Ziggy gesagt hat.«
    Alex wollte keinen Streit. Er unterdrückte eine bissige Entgegnung und sagte: »Was ich sagen wollte, ist, dass man bei der Polizei die bekloppte Idee hat, Paul hätte das Feuer gelegt.
    Versuche also, in seiner Gegenwart ’n bisschen feinfühlig zu sein, ja?«
    »Warum glaubst du, dass es eine bekloppte Idee ist? Ich weiß nicht viel darüber, wie die Polizei vorgeht, aber ich habe mir sagen lassen, dass die Mehrzahl der nicht von einer Bande begangenen Morde von Lebenspartnern verübt wird. Und da du mich gebeten hast, feinfühlig zu sein, nehme ich an, dass wir Paul als Ziggys Partner betrachten sollten. Wenn ich ein Polizeibeamter wäre, würde ich mich als pflichtvergessen betrachten, die Möglichkeit nicht in Betracht zu ziehen.«
    »Gut. Das ist ihre Pflicht. Aber wir sind Ziggys Freunde. Lynn und ich haben im Lauf der Jahre viel Zeit mit den beiden verbracht. Und du kannst mir glauben, es war nie eine Beziehung, die auf einen Mord zusteuerte. Du solltest daran denken, wie es ist, wenn man einer Sache verdächtigt wird, die man nicht getan hat. Stell dir mal vor, wie viel schlimmer es sein muss, wenn der Ermordete der Mensch ist, den du geliebt hast. Das ist es nämlich, was Paul gerade durchmacht. Und er –
    nicht die Polizei – verdient es, von uns unterstützt zu werden.«
    »Okay, okay«, murmelte Weird beklommen, dessen Fassade für einen Augenblick bröckelte, als die Erinnerung wach wurde und er an die tiefe Angst dachte, die ihn damals in die Arme der Kirche getrieben hatte. Den Rest der Fahrt über war er still, wandte den Kopf, um die Landschaft draußen zu betrachten und um Alex’
    gelegentlichen Blicken in seine Richtung auszuweichen.
    Alex nahm die gewohnte Ausfahrt von der Schnellstraße und steuerte Ziggys und Pauls früheres Haus an. Sein Magen krampfte sich zusammen, als er die schmale Schotterstraße entlangfuhr, die sich durch die Bäume wand. In seiner Phantasie hatte er sich schon diverse Szenen vom Brand vorgestellt. Aber als er die letzte Kurve nahm und sah, was von dem Haus noch übrig war, wusste er, dass seine Vorstellungskraft jämmerlich weit hinter der Wirklichkeit zurückgeblieben war. Er hatte noch eine schwarze, entstellte Resthülle des Hauses erwartet. Aber hier war fast alles vollkommen zerstört.
    Sprachlos brachte Alex den Wagen zum Stehen. Er stieg aus und ging langsam mit ein paar Schritten auf die Ruine zu. Zu seiner Überraschung hing der Brandgeruch noch in der Luft und reizte Rachen und Nase. Er starrte auf die verkohlten Überreste vor ihm und war kaum in der Lage, das Haus in seiner Erinnerung mit diesem Trümmerhaufen in Verbindung zu bringen. Ein paar dicke Balken ragten kreuz und quer in die Höhe, aber sonst war kaum noch etwas erkennbar. Das Haus musste lichterloh wie eine Pechfackel gebrannt haben. Die Bäume direkt neben dem Haus waren auch vom Feuer verschlungen worden, und nur noch einige krumme, starre Äste hoben sich wie ein Gerippe gegen das Meer und die Inseln dahinter ab.
     
    Er bekam kaum mit, dass Weird an ihm vorbeiging. Mit gesenktem Kopf blieb der Prediger vor den Absperrbändern stehen, die rings um die ausgebrannten Trümmer gespannt worden waren. Dann warf er den Kopf zurück, und seine dichte silbergraue Mähne schimmerte im Licht. »Oh Herr«, begann er mit seiner im Freien besonders klangvollen Stimme.
    Alex kämpfte gegen das Kichern an, das in ihm hochstieg. Er wusste, es war zum Teil eine nervöse Reaktion auf die intensiven Gefühle, die der Anblick der Trümmer in ihm ausgelöst hatte.

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