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Echo Einer Winternacht

Titel: Echo Einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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der Frau und setzte sich, während sie den Wein öffnete und zwei Gläser einschenkte. Sie waren Geschwister, das wusste er. Gilbey hatte sie sechs Jahre nach Rosies Tod geheiratet, als er siebenundzwanzig und sie zweiundzwanzig war. Er fragte sich, ob sie die Wahrheit über die Dinge wusste, in die ihr Bruder und ihr Mann verstrickt gewesen waren. Eigentlich bezweifelte er es. Sie hatten bestimmt ein ganzes Lügengewebe vor ihr ausgebreitet, und es passte ihr ganz gut, alles zu glauben. Genauso wie es der Polizei gepasst hatte. Sie waren damals alle ganz froh gewesen, dass sie so billig davonkamen. Schön, er würde das kein zweites Mal geschehen lassen.
    Und jetzt war sie schwanger. Gilbey wurde Vater. Es machte ihn wütend, dass ihr Kind das Vorrecht hatte, seine Eltern zu kennen, erwünscht und geliebt zu sein, statt mit Schuld und Vorwürfen beladen. Kerr und seine Freunde hatten ihm vor vielen Jahren diese Möglichkeit genommen.
    Da unten kam es zu keiner lebhaften Unterhaltung. Was eines von zwei Dingen bedeuten konnte. Entweder waren sie einander so vertraut, dass sie nicht zu plaudern brauchten, um die Stille zu durchbrechen. Oder es gab eine Distanz zwischen ihnen, die Plaudern nicht überbrücken würde. Er fragte sich, welches von beidem zutraf. Es war unmöglich, das von ferne zu beurteilen.
    Nach etwa zehn Minuten sah die Frau auf die Uhr und stand auf, eine Hand auf ihrem Kreuz, die andere auf ihren Bauch gelegt.
    Sie verließ den Wintergarten.
    Als sie nach zehn Minuten nicht wieder erschienen war, begann er zu überlegen, ob sie das Haus verlassen hatte. Natürlich, das machte Sinn. Gilbey würde vom Begräbnis nach Hause kommen und sich mit Kerr zu einer Besprechung treffen. Sie würden die Fragen erörtern, die sich aus Malkiewicz’ geheimnisvollem Tod ergaben. Die Mörder kamen wieder zusammen.
    Er kauerte sich hin und nahm eine Thermosflasche mit starkem, süßem Kaffee aus seinem Rucksack, der ihn wach-halten und ihm Energie geben würde. Nicht, dass er das gebraucht hätte. Seit er begonnen hatte, die Männer zu verfolgen, die er für den Tod seiner Mutter verantwortlich machte, schien er von Tatendrang erfüllt. Und wenn er abends ins Bett fiel, schlief er besser, als er jemals seit seiner Kindheit geschlafen hatte. Eine weitere Bestätigung dafür, hätte es denn einer solchen überhaupt bedurft, dass der Pfad, den er gewählt hatte, der richtige war.
    Mehr als eine Stunde verging. Kerr sprang immer wieder auf, schritt auf und ab, ging gelegentlich in den anderen Raum und kam fast sofort wieder zurück. Er fühlte sich nicht wohl, das stand fest. Dann kam plötzlich Gilbey herein. Sie schüttelten sich nicht die Hände, und Macfadyen merkte bald, dass dies kein leichtes, entspanntes Treffen war. Selbst durch den Feldstecher sah er, dass das Gespräch nicht so lief, wie beide Männer es sich gewünscht hätten.
    Trotzdem hatte er nicht erwartet, dass Kerr so die Fassung verlieren würde, wie er es tat. Gerade noch war alles in Ordnung, dann brach er in Tränen aus. Der nachfolgende Dialog schien sehr lebhaft, dauerte aber nicht lange. Kerr stand unvermittelt auf und drängte an Gilbey vorbei. Was immer zwischen ihnen geschehen war, es hatte keinen von ihnen erfreut.
    Macfadyen zögerte einen Moment. Sollte er hier weiter Wache halten? Oder sollte er Kerr folgen? Er setzte sich bereits in Bewegung, bevor er sich über seine Entscheidung richtig im Klaren war. Gilbey würde bestimmt nirgends hingehen. Aber David Kerr war einmal von seinem Muster abgewichen. Er würde es vielleicht wieder tun.
    Er rannte zu seinem Wagen zurück und kam gerade um die Ecke, als Kerr aus der stillen Seitenstraße hinausfuhr. Fluchend warf sich Macfadyen hinter das Steuerrad, gab Vollgas und fuhr mit quietschenden Reifen hinterher. Aber er hätte sich nicht zu sorgen brauchen. Kerrs silberner Audi stand noch vor der Kreuzung der Hauptstraße und wartete, bis er rechts abbiegen konnte. Statt zur Brücke und nach Hause zu fahren, nahm er die M90 nach Norden. Es war nicht viel Verkehr, und Macfadyen konnte ihn leicht im Blick behalten. Innerhalb von zwanzig Minuten wurde ihm ziemlich klar, wohin sein Opfer unterwegs war. An Kirkcaldy und dem Haus seiner Eltern vorbei fuhr er die Standing Stone Road nach Osten. Sein Ziel musste St.
    Andrews sein.
    Als sie die Randbezirke der Stadt erreichten, fuhr Macfadyen vorsichtig näher heran. Er wollte Kerr jetzt nicht verlieren. Der Audi hatte den Winker nach links gesetzt und

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