Echo Einer Winternacht
Gottes willen.«
Lynn schluchzte heftig. »Ich kann es auch nicht begreifen.
Bitte, Alex, fahr einfach und stell fest, was passiert ist.«
»Okay, okay. Ich fahr sofort los. Hör zu, vielleicht ist er nur verletzt. Vielleicht sieht sie das falsch.«
»Sie hat nicht geklungen, als hätte sie irgendwelche Zweifel.«
»Nun ja, Hélène ist keine Ärztin, oder? Also, wart’s ab. Ich ruf dich an, sobald ich dort bin.«
»Ich kann das nicht glauben.« Jetzt erstickte sie fast an den zurückgehaltenen Tränen und verschluckte die Worte.
»Lynn, du musst versuchen ruhig zu bleiben. Bitte.«
»Ruhig? Wie kann ich ruhig sein? Mein Bruder ist tot.«
»Wir wissen das nicht genau. Lynn, das Baby. Du musst auf dich Acht geben. Sich so aufzuregen kann Mondo nicht helfen, was immer ihm passiert ist.«
»Sieh einfach zu, dass du hinkommst, Alex«, rief Lynn.
»Ich bin schon auf dem Weg.« Sie hörte Alex’ Schritte, dann legte er auf. Noch nie hatte sie ihn nötiger gebraucht. Und sie wollte auch in Glasgow an der Seite ihres Bruders sein. Es spielte keine Rolle, was zwischen ihnen vorgefallen war, er war doch ihr eigenes Fleisch und Blut. Alex hätte sie nicht zu erinnern brauchen, dass sie fast im achten Monat schwanger war. Sie würde nichts tun, was ihr Baby in Gefahr brachte. Stöhnend wischte sich Lynn die Tränen ab und versuchte sich bequem hinzusetzen. Bitte, lieber Gott, mach, dass Hélène sich irrt.
Alex konnte sich nicht erinnern, je so schnell gefahren zu sein.
Es war ein Wunder, dass er Bearsden erreichte, ohne Blaulicht im Rückspiegel blinken zu sehen. Auf dem ganzen Weg sagte er sich, es müsse ein Irrtum vorliegen. Die Möglichkeit, dass Mondo tot war, konnte er einfach nicht in Erwägung ziehen.
Nicht so bald nach Ziggys Tod. Sicher, schreckliche Zufälle gibt es. Davon lebten die makabren Boulevardblätter und die Nachmittagsshows im Fernsehen. Aber diese Dinge passierten doch anderen Leuten. Zumindest bis jetzt war es so gewesen.
Seine inständige Hoffnung fiel in sich zusammen, als er in die ruhige Straße einbog, wo Mondo und Hélène wohnten. Vor dem Haus waren drei Streifenwagen am Gehwegrand geparkt. Ein Krankenwagen stand in der Einfahrt. Kein gutes Zeichen. Wenn Mondo noch lebte, wäre er längst weg, der Krankenwagen wäre mit Blaulicht und Sirene zum nächsten Krankenhaus gerast.
Alex ließ sein Auto hinter dem ersten Polizeiwagen stehen und rannte auf das Haus zu. Ein stämmiger Constable in Uniform und einer fluoreszierend gelben Jacke stellte sich ihm am Ende der Einfahrt in den Weg. »Kann ich Ihnen helfen, Sir?«, fragte er.
»Mein Schwager«, sagte Alex und versuchte sich an ihm vorbeizudrängen. Der Beamte fasste ihn am Arm und hinderte ihn am Weitergehen. »Bitte, lassen Sie mich durch. David Kerr, ich bin mit seiner Schwester verheiratet.«
»Tut mir leid, Sir, im Moment darf niemand rein. Dies hier ist ein Tatort.«
»Was ist mit Hélène? Seine Frau – wo ist sie? Sie hat meine Frau angerufen.«
»Mrs. Kerr ist drin. Sie ist in Sicherheit, Sir.«
Alex entspannte sich etwas. Der Constable ließ ihn los.
»Hören Sie, ich weiß nicht, was hier abläuft, aber ich bin auf jeden Fall sicher, dass Hélène Hilfe braucht. Können Sie nicht Ihrem Chef durchgeben, dass er mich reinlassen soll?«
Der Constable sah skeptisch drein. »Wie ich schon sagte, Sir, dies hier ist ein Tatort.«
Frust kam in Alex auf. »Und so behandeln Sie also die Opfer eines Verbrechens? Sie halten sie von ihren Familien fern?«
Der Polizist hob resignierend das Funkgerät an den Mund. Er wandte sich halb ab, vergewisserte sich aber dabei, dass er weiter den Zugang zum Haus blockierte, und murmelte etwas in das Gerät. Ein Knacken war die Antwort. Nach einem kurzen, halblauten Gespräch drehte er sich zu Alex um und fragte:
»Kann ich Ihren Ausweis sehen, Sir?«
Ungeduldig zog Alex seine Brieftasche heraus und entnahm ihr seinen Führerschein. Er war froh, dass er sich für einen neuen mit dem Passfoto entschieden hatte, und hielt ihn dem Beamten hin. Der Polizist sah ihn sich an und gab ihn mit einem höflichen Nicken zurück. »Wenn Sie ins Haus gehen möchten, Sir, einer meiner Kollegen von der Kripo wird an die Tür kommen.«
Alex schlüpfte an ihm vorbei. Seine Beine fühlten sich merkwürdig an, als gehörten die Knie einem anderen, der nicht richtig wusste, wie man sie bewegte.
Als er zur Tür kam, ging sie auf, und eine Frau in den Dreißigern musterte ihn mit müdem, zynischem
Weitere Kostenlose Bücher