Echo Einer Winternacht
genauso gut wie ich, Alex, dass diese Leute zu allem fähig sind. Wir wissen nicht, was ihnen in ihrem Leben zugestoßen ist.
Vielleicht ist etwas geschehen, das alles wieder ins Rollen gebracht hat. Vielleicht ist ihre Mutter gestorben. Vielleicht hat die Wiederaufnahme des Falls sie daran erinnert, dass sie noch eine Rechnung zu begleichen hatten und dass es jetzt wahrscheinlich relativ ungefährlich ist, es zu tun. Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass es sehr danach aussieht, als habe es jemand auf uns abgesehen. Und wer immer es sein mag, die Zeit und die Umstände arbeiten für ihn.« Weird sah sich nervös um, als wandle sein Rächer unter den Trauergästen, die auf ihre Autos zugingen.
»Jetzt wirst du aber paranoid.« Alex wollte im Moment nicht gerade an diesen Aspekt von Weirds Jugend erinnert werden.
»Ich glaube nicht. Ich meine, ich bin derjenige, der sich den gesunden Menschenverstand erhalten hat.«
»Was schlägst du also vor, was sollten wir tun?«
Weird zog den Mantel eng um sich. »Ich habe vor, mich morgen früh in ein Flugzeug zu setzen und in die Staaten zurückzufliegen. Dann werde ich meine Frau und die Kinder an einen sicheren Ort schicken. Es gibt viele gute Christen, die draußen in der Wildnis leben. Niemand wird in ihre Nähe kommen.«
»Und du?« Alex merkte, wie er sich von Weirds Misstrauen anstecken ließ.
Weird setzte das vertraute alte Wolfsgrinsen auf. »Ich werde mich zu Exerzitien zurückziehen. Die Gemeinden haben Verständnis dafür, dass die, die für sie da sind, von Zeit zu Zeit den Kontakt mit ihrer Spiritualität wiederherstellen müssen. Das werde ich also tun. Die tolle Sache an der Arbeit als Fernsehprediger ist, dass ich überall, wo ich gerade bin, ein Video machen kann. Meine Herde wird mich während meiner Abwesenheit also nicht vergessen.«
»Du kannst dich aber nicht ewig verstecken. Früher oder später wirst du wieder nach Hause gehen müssen.«
Weird nickte. »Das weiß ich. Aber ich werde nicht untätig herumsitzen, Alex. Sobald meine Familie und ich aus der Schusslinie sind, werde ich einen Privatdetektiv beauftragen herauszufinden, wer den Kranz zu Ziggys Beerdigung geschickt hat. Wenn ich das nämlich weiß, wird mir auch klar sein, vor wem ich mich hüten muss.«
Alex schnaufte geräuschvoll. »Du hast ja alles gut ausgetüftelt, was?«
»Je mehr ich über diesen ersten Kranz nachdachte, desto mehr Zweifel kamen mir. Und Gott hilft denen, die sich selbst helfen, deshalb habe ich einen Plan ausgearbeitet. Nur für den Fall.«
Weird legte eine Hand auf Alex’ Arm.
»Alex, ich schlage vor, dass du es genauso machst. Jetzt musst du auf mehr Rücksicht nehmen als nur auf dich selbst.« Weird zog ihn heran und umarmte ihn. »Pass auf dich auf.«
»Sehr ergreifend, verdammt noch mal«, sagte eine Stimme schroff.
Weird wich zurück und fuhr herum. Zuerst konnte er den Mann mit dem grimmigen Gesicht, der ihn und Alex finster anstarrte, nicht einordnen. Dann ließ die Erinnerung die Jahre wegschmelzen, und er erlebte wieder die Angst und den Schmerz vor der Lammas Bar. »Brian Duff«, flüsterte Weird.
Alex sah vom einen zum anderen. »Sind Sie Rosies Bruder?«
»Ja, stimmt.«
Die wirren Gefühle, die Alex schon tagelang quälten, ballten sich plötzlich zu großer Wut zusammen. »Aus Schadenfreude gekommen, was?«
»Ausgleichende Gerechtigkeit, so nennt man das doch, oder?
Ein mörderischer kleiner Dreckskerl verabschiedet einen anderen. Ja, ich bin aus Schadenfreude gekommen.«
Alex wollte sich auf ihn stürzen, wurde aber von Weird mit festem Griff am Arm gepackt. »Lass es, Alex. Keiner von uns hat Rosie ein Haar gekrümmt, Brian. Ich weiß, dass Sie jemanden brauchen, der Schuld hat, aber es war keiner von uns.
Das müssen Sie uns glauben.«
»Ich muss überhaupt nichts glauben.« Er spuckte auf den Boden. »Ich hatte wirklich gehofft, dass die Polizei diesmal einen von euch überführen würde. Da das nicht passieren wird, ist das hier die einzige andere Möglichkeit.«
»Natürlich wird das nicht passieren. Wir haben Ihre Schwester nie angerührt, und die DNA-Analyse wird das belegen«, rief Alex.
Duff schnaubte: »Was für eine DNA-Analyse? Diese verfluchten Idioten haben doch die Beweisstücke verloren.«
Alex fiel die Kinnlade herunter. »Was?«, flüsterte er.
»Sie haben es gehört. Ihr seid also immer noch vor dem Arm des Gesetzes in Sicherheit.« Brians Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. »Hat aber euren Freund nicht
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