Echo Einer Winternacht
als Letzte etwas verlegen hereinschlurften, geräuschvoll ihre Wohnung betreten. Heggie verschwendete keine Zeit mit Geplauder. »Jacqueline Donaldson, ich nehme Sie fest wegen des Verdachts auf Verabredung zum Mord. Sie können sechs Stunden ohne Verhaftung festgehalten werden und haben das Recht, mit einem Anwalt Kontakt aufzunehmen. Sie brauchen nichts außer Ihren Namen und Ihre Adresse anzugeben. Verstehen Sie den Grund für Ihre Festnahme?«
Sie stieß ein kurzes, verächtliches Lachen aus. »Ich verstehe, dass Sie das Recht dazu haben. Aber ich verstehe nicht, warum Sie es tun.«
Jackie hatte Heggie noch nie gemocht, sein spitzes Kinn, die kleinen Augen, den schlechten Haarschnitt, den billigen Anzug und seinen angeberischen Gang. Aber er war höflich gewesen, bei ihren früheren Treffen sogar irgendwie schüchtern. Jetzt war er jedoch kurz angebunden und nur auf Effizienz aus. »Bitte, ziehen Sie sich an. Meine Kollegin wird bei Ihnen bleiben. Wir warten draußen.« Heggie wandte sich ab und ging mit den Uniformierten auf den Treppenabsatz. Verwirrt, aber entschlossen, dies nicht zu zeigen, kehrte Jackie zur Schlafecke ihres Appartements zurück. Sie holte das erstbeste T-Shirt und einen Pullover aus einer Schublade und schnappte sich ein paar Jeans vom Stuhl. Dann ließ sie alles fallen. Wenn es schlecht lief, würde sie vor einem Richter erscheinen müssen, bevor sie eine Chance zum Umziehen hatte. Sie wühlte hinten in ihrem Kleiderschrank und suchte nach ihrem einzigen anständigen Kostüm. Jackie wandte der Polizeibeamtin, die sie nicht aus den Augen ließ, den Rücken zu und zog sich an. »Ich muss auf die Toilette«, sagte sie.
»Sie werden die Tür offen lassen müssen«, antwortete die Frau gleichmütig.
»Glauben Sie vielleicht, ich will mir ’n Schuss setzen oder so was?«
»Es ist zu Ihrem eigenen Schutz«, antwortete sie gelangweilt.
Jackie tat, was sie tun musste, befeuchtete ihre Haare mit einer Handvoll kaltem Wasser und strich sie nach hinten. Sie sah in den Spiegel und fragte sich, wann sie wohl in der Lage sein werde, das zum nächsten Mal wieder zu tun. Jetzt wusste sie, wie sich die Leute gefühlt hatten, über die sie geschrieben hatte.
Und es war schrecklich. Ihr war flau im Magen, als hätte sie seit Tagen nicht geschlafen, und ihr Atem schien in der Kehle stecken zu bleiben. »Wann kann ich meinen Anwalt anrufen?«, fragte sie.
»Wenn wir auf der Wache sind«, kam die Antwort. Eine halbe Stunde später saß sie in einem kleinen Raum mit Tony Donatello zusammen, einem Anwalt für Strafsachen, dessen Vater und Großvater auch schon in diesem Beruf gearbeitet hatten und den sie seit ihren ersten Monaten als Reporterin kannte. Sie waren eher daran gewöhnt, sich in Bars zu treffen als in Zellen, aber Tony war so taktvoll, das nicht zu erwähnen. Er war auch sensibel genug, sie nicht daran zu erinnern, dass sie sich beim letzten Mal, als er sie auf einer Polizeiwache vertreten hatte, schließlich eine Vorstrafe eingehandelt hatte. »Sie wollen Sie wegen Davids Tod befragen«, sagte er. »Aber ich nehme an, darauf sind Sie auch schon selbst gekommen.«
»Es ist der einzige Mord, mit dem ich in letzter Zeit auch nur im Entferntesten zu tun hatte. Haben Sie Hélène angerufen?«
Tony hüstelte kurz und trocken. »Es hat sich herausgestellt, dass sie sie auch mitgenommen haben.«
»Das hätte ich mir ja schon denken können. Also, wie gehen wir vor?«
»Gibt es irgendetwas in der jüngsten Vergangenheit, aus dem sich ein Zusammenhang mit Davids Tod konstruieren ließe?«
Jackie schüttelte den Kopf. »Nein, nichts. Hier geht es nicht um irgendeine schäbige Verabredung, Tony. Hélène und ich hatten nichts mit Davids Ermordung zu tun.«
»Jackie, sprechen Sie hier nicht für Hélène. Sie sind meine Klientin, und ich habe mich um das zu kümmern, was Sie getan haben. Wenn es irgendetwas gibt – eine beiläufige Bemerkung, eine leichtsinnige E-Mail, was auch immer –, das Sie verdächtig machen könnte, dann beantworten wir keine Fragen. Schalten Sie einfach auf stur. Aber wenn Sie sicher sind, dass es keinerlei Grund gibt, sich Sorgen zu machen, dann werden wir Fragen beantworten. Wie wollen wir’s machen?«
Jackie spielte mit dem Ring an ihrer Augenbraue. »Hören Sie, da gibt es etwas, was Sie wissen sollten. Ich war nicht die ganze Zeit bei Hélène. Eine Stunde oder so war ich mal weg, weil ich ausgehen musste, um bei jemandem vorbeizuschauen. Ich kann nicht sagen, wer
Weitere Kostenlose Bücher