Echo Einer Winternacht
phantasiebegabten Nachbarn?«
Heggie sah ihn scharf an, bevor er sagte: »In der Vorgeschichte Ihrer Klientin hat es Gewalttätigkeit gegeben.«
»Nein, das stimmt nicht. Sie wurde einmal verurteilt, weil sie einen Polizeibeamten angriff, als sie über eine Demonstration gegen die Kopfsteuer berichtete und von einem Ihrer Kollegen vor lauter Eifer für eine Demonstrantin gehalten wurde. Das heißt wohl kaum, dass sie in der Vergangenheit gewalttätig war.«
»Sie versetzte einem Polizisten einen Schlag ins Gesicht.«
»Nachdem er sie an den Haaren über den Boden geschleift hatte. Wenn es ein gewalttätiger Angriff auf einen Polizeibeamten gewesen wäre, glauben Sie nicht, dass der Richter ihr dann mehr als sechs Monate auf Bewährung gegeben hätte?
Wenn Sie nichts haben als das, sehe ich keinen Grund, meine Klientin hier festzuhalten.«
Heggie starrte sie beide an. »Sie waren mit Mrs.
Kerr
zusammen an dem Abend, als ihr Mann starb?«
»Das stimmt«, sagte Jackie vorsichtig. Hier begab sie sich auf dünnes Eis. »Es war unser normaler Wochentag, an dem wir uns immer abends trafen. Sie kam etwa gegen halb sieben. Wir aßen eine Fischmahlzeit, die ich holte, tranken Wein und gingen zusammen ins Bett. Sie verließ meine Wohnung gegen elf.
Genau wie sonst auch.«
»Gibt es dafür Zeugen?«
Jackie hob die Augenbrauen. »Ich weiß nicht, wie Sie es halten, Inspektor, aber wenn ich mit jemandem schlafe, lade ich nicht die Nachbarn ein. Das Telefon hat zweimal geklingelt, aber ich ging nicht ran.«
»Wir haben einen Zeugen, der ausgesagt hat, er hätte Sie an diesem Abend gegen neun Uhr zu Ihrem Wagen gehen sehen«, sagte Heggie triumphierend.
»Er muss sich im Tag geirrt haben«, sagte Jackie. »Ich war den ganzen Abend bei Hélène. Ist das auch so einer meiner beschränkten Nachbarn, dem Sie das Erstellen belastender Aussagen beigebracht haben?«
Tony bewegte sich unruhig auf seinem Stuhl. »Sie haben die Antwort meiner Klientin gehört. Wenn Sie nichts Neues auf den Tisch zu legen haben, schlage ich wirklich vor, dass wir jetzt zum Ende kommen.«
Heggie atmete tief ein. »Wenn Sie sich noch einen Moment gedulden könnten, Mr. Donatello, möchte ich gern zu einer Zeugenaussage kommen, die wir gestern Abend aufgenommen haben.«
»Darf ich das sehen?«, fragte Tony.
»Immer mit der Ruhe. Denise?«
Die Beamtin schlug einen Hefter auf, den sie auf dem Schoß hielt, und legte ein Blatt Papier vor ihn hin. Heggie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und sprach. »Wir haben gestern einen kleineren Drogendealer verhaftet. Er wollte gern etwas beisteuern, das uns seinen Fall in einem günstigeren Licht erscheinen ließe. Ms. Donaldson, kennen Sie Gary Hardie?«
Jackie stockte das Herz. Was hatte das mit der Sache zu tun?
Sie hatte an jenem Abend weder Gary Hardie noch einen seiner Spezis getroffen. »Ich weiß, wer er ist«, zögerte sie eine klare Antwort hinaus. Damit gab sie ja nichts zu. Jeder, der in Schottland Zeitung las oder Fernsehen sah, hätte den Namen gekannt. Ein paar Wochen zuvor hatte es nach einem der bekanntesten Mordfälle der Stadt seit einigen Jahren für Gary Hardie einen sensationellen Freispruch vom Obersten Gerichtshof in Glasgow gegeben. Während des Prozesses war er mehrmals als Drogendealer, Mann ohne Rücksicht auf Verluste und äußerst gewissenloser krimineller Kopf bezeichnet worden.
Unter den Anschuldigungen, die die Geschworenen gehört hatten, war die Behauptung, dass er einen angeheuerten Mörder beauftragt hätte, einen Konkurrenten auszuschalten.
»Haben Sie Gary Hardie je kennen gelernt?«
Jackie spürte, wie sich an ihrem Kreuz der Schweiß sammelte.
»Rein beruflich, ja.«
»Ging es da um seinen Beruf oder um Ihren?«, fragte Heggie und rutschte mit dem Stuhl näher an den Tisch.
Jackie rollte belustigt die Augen. »Ach bitte, Inspector. Ich bin Journalistin. Es ist meine Aufgabe, mit Leuten zu sprechen, die in den Nachrichten sind.«
»Wie oft haben Sie Gary Hardie getroffen?«, drängte Heggie.
Jackie schnaubte leicht. »Dreimal. Ich habe vor einem Jahr ein Interview über die aktuelle Gangsterszene in Glasgow mit ihm gemacht für ein Feature, das ich für eine Zeitschrift schrieb.
Während er auf seinen Prozess wartete, habe ich mit ihm über einen Artikel gesprochen, den ich nach dem Prozess schreiben wollte. Und ich habe vor zwei Wochen einmal etwas mit ihm getrunken. Es ist wichtig, die Kontakte zu pflegen. So bekomme ich Storys, die niemand
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