Echo Einer Winternacht
es war, aber Sie können mir glauben, er eignet sich nicht für ein Alibi.«
Tony schien besorgt. »Das ist nicht gut«, sagte er. »Vielleicht sollten Sie nur ›kein Kommentar‹ sagen.«
»Das will ich nicht. Sie wissen ja, wie schlecht das aussieht.«
»Das müssen Sie entscheiden. Aber unter den gegebenen Umständen, glaube ich, wäre Aussageverweigerung die bessere Entscheidung.«
Jackie dachte lange und intensiv nach. Sie war ziemlich sicher, dass die Polizei nichts von ihrer Abwesenheit wissen konnte.
»Ich werde mit ihnen reden«, sagte sie schließlich. Das Vernehmungsbüro bot keine Überraschung für jemanden, der sich mit Polizeiserien im Fernsehen auskannte. Jackie und Tony saßen Heggie und der Kripobeamtin gegenüber, die ihn zu Jackies Wohnung begleitet hatte. Aus der Nähe roch Heggies Aftershave penetrant. Zwei Kassetten liefen nebeneinander in einem Rekorder am Ende des Tisches. Nachdem die Formalitäten erledigt waren, legte Heggie gleich los. »Wie lange kennen Sie Hélène Kerr schon?«
»Ungefähr vier Jahre. Ich habe sie und ihren Mann auf der Party eines gemeinsamen Freundes kennen gelernt.«
»Was für eine Beziehung haben Sie zueinander?«
»In erster Linie sind wir befreundet. Gelegentlich auch Geliebte.«
»Wie lange sind Sie schon ihre Geliebte?« Heggie hatte einen begehrlichen Blick in den Augen, als sei die Vorstellung von Jackie und Hélène als Liebespaar für ihn möglicherweise genauso zufriedenstellend wie irgendein Geständnis.
»Seit ungefähr zwei Jahren.«
»Und wie oft fand das statt?«
»Wir verbrachten meistens einen Abend der Woche zusammen.
Bei den meisten Treffen hatten wir Sex. Aber nicht immer. Wie ich schon sagte, Freundschaft ist der wichtigste Teil unserer Beziehung.« Unter dem kritischen Blick der Vernehmungs-beamten fand Jackie es schwieriger, als sie gedacht hatte, gelassen und nüchtern zu bleiben. Aber sie wusste, sie musste ruhig bleiben, jeder Gefühlsausbruch würde als Beweis ausgelegt werden, dass es um mehr als nur um strapazierte Nerven ging.
»Wusste David Kerr, dass Sie mit seiner Frau schliefen?«
»Ich glaube nicht.«
»Es muss Sie geärgert haben, dass sie bei ihm blieb«, bemerkte Heggie.
Eine scharfsinnige Beobachtung, dachte sie. Und eine, die auf peinliche Weise der Wahrheit ziemlich nahe kam. Unter der Oberfläche wusste Jackie genau, es tat ihr nicht leid, dass David Kerr tot war. Sie liebte Hélène und war es bitter leid, dass sie sich mit der Nebenrolle begnügen musste, die ihre Geliebte ihr zugestand. Lange Zeit hatte sie schon mehr haben wollen.
»Ich wusste von Anfang an, dass sie ihren Mann nicht verlassen würde. Dagegen hatte ich nichts.«
»Das fällt mir schwer zu glauben«, sagte er. »Sie wurden wegen Hélènes Mann zurückgewiesen, und das machte Ihnen nichts aus?«
»Es war keine Zurückweisung. So wie die Sache lief, war es uns beiden recht.« Jackie beugte sich mit der Absicht vor, durch ihre Körpersprache Offenheit vorzutäuschen. »Nur ein bisschen Spaß. Ich liebe meine Freiheit. Ich will mich nicht binden.«
»Wirklich?« Er schaute auf seine Notizen hinunter. »Die Nachbarin lügt also, die hörte, dass Sie sich anschrien und stritten, weil sie ihren Mann nicht verlassen wollte?«
Jackie erinnerte sich an den Streit. Es hatte in ihrer gemeinsamen Zeit so wenig Streit gegeben, dass dieser denkwürdig war.
Zwei Monate zuvor hatte sie Hélène eingeladen, mit ihr zum vierzigsten Geburtstag einer Freundin zu kommen. Hélène hatte sie ungläubig angesehen. So etwas verstieß gegen die Grund-regeln, über so etwas sollte nicht einmal geredet werden. Jackies Frustration war außer Kontrolle geraten und ein Riesenkrach die Folge. Als Hélène gedroht hatte, zu gehen und nie wiederzukommen, änderte sich der Ton plötzlich. Denn diese Möglichkeit war für Jackie unerträglich; und sie hatte aufgegeben. Aber sie würde über diese Dinge nicht mit Heggie und seiner Assistentin sprechen. »So muss es wohl gewesen sein. Man hört durch die Wände dieser Wohnung nicht das Geringste.«
»Offenbar doch, wenn die Fenster offen sind«, sagte Heggie.
»Wann soll diese angebliche Unterhaltung stattgefunden haben?«, unterbrach Tony.
Noch ein Blick auf die Notizen. »Gegen Ende November.«
»Sie behaupten im Ernst, meine Klientin hätte Ende November in Glasgow das Fenster offen stehen lassen?«, fragte Tony spöttisch. »Ist das alles, was Sie gegen sie haben? Klatsch und Tratsch von neugierigen und zu
Weitere Kostenlose Bücher