Echo Einer Winternacht
den Arm nehmen, wäre da nicht das überwältigende Polizeiaufgebot und die Straßensperre gewesen, die den Carlton Way vom Rest der Welt abriegelte.
»Sind jetzt alle Häuser leer?«, fragte Lawson DI McIntyre.
»Ja, Sir. Und die einzige Telefonverbindung zu Macfadyens Haus haben wir. Alle bewaffneten Männer des Spezialeinsatzkommandos sind um das Haus herum aufgestellt.«
»Gut. Dann tun wir’s jetzt.«
Zwei Streifenwagen und ein Van fuhren hintereinander in den Carlton Way. Sie parkten in einer Reihe vor Macfadyens Haus.
Lawson stieg aus dem ersten Fahrzeug und ging zu John Duncan, dem Spezialisten, der für Verhandlungen mit Geiseln zuständig war und der hinter dem Van stand, wo er vom Haus aus nicht zu sehen war. »Wir können sicher sein, dass er da drin ist?«, fragte Duncan.
»Die Techniker sagen Ja. Wärmebildkameras oder so was. Er ist mitsamt dem Kind drin. Beide sind noch am Leben.«
Duncan gab Lawson einen Kopfhörer und nahm das Telefon, das eine Verbindung ins Innere des Hauses herstellte. Beim dritten Klingeln wurde abgenommen. Stille. »Graham? Sind Sie das?«, fragte Duncan mit fester, aber einfühlsamer Stimme.
»Wer ist dran?« Macfadyen klang erstaunlich gelassen.
»Mein Name ist John Duncan. Ich bin hier, um zu sehen, wie wir diese Situation auflösen können, ohne dass jemand verletzt wird.«
»Ich habe Ihnen nichts zu sagen. Ich will mit Lawson sprechen.«
»Er ist im Moment nicht hier. Aber ich kann ihm ausrichten, was immer Sie mir sagen.«
»Ich will mit Lawson sprechen, mit sonst niemand.«
Macfadyens Tonfall war angenehm und ungezwungen, als rede er über Fußball oder das Wetter.
»Wie ich schon sagte, Mr. Lawson ist im Moment nicht hier.«
»Ich glaube Ihnen nicht, Mr. Duncan. Aber nehmen wir mal an, Sie sagen die Wahrheit. Ich hab’s nicht eilig. Ich kann warten, bis Sie ihn finden.« Er legte auf. Duncan sah Lawson an.
»Ende der ersten Runde«, sagte er. »Wir geben ihm zehn Minuten, dann werde ich’s noch mal versuchen. Er wird schließlich doch anfangen zu reden.«
»Glauben Sie? Er klang so cool, finde ich. Meinen Sie nicht, ich sollte mit ihm sprechen? Dann bekommt er vielleicht das Gefühl, dass er das erreichen wird, was er verlangt.«
»Es ist zu früh für Zugeständnisse, Sir. Er muss uns irgendwie entgegenkommen, bevor wir ihm etwas dafür geben.«
Lawson seufzte tief und wandte sich ab. Er konnte das Gefühl nicht ausstehen, die Kontrolle nicht mehr zu haben. Es würde ein schreckliches Medientheater geben, und die Möglichkeiten, dass es schlimm ausging, waren sehr viel zahlreicher als die Alternativen. Er kannte sich mit solchen Belagerungssituationen aus. Für irgendjemanden ging so eine Sache fast immer schlecht aus.
Alex überlegte, welche Möglichkeiten er hatte. Bei jeder anderen Konstellation von Umständen wäre es das Vernünftigste gewesen, jetzt einfach zur Polizei zu gehen. Sie konnten ihr Team von Kriminaltechnikern schicken und den ganzen Wohnwagen auseinander nehmen, um den einen Tropfen Blut oder den tränenförmigen Farbtropfen zu suchen, der die unausweichliche Verbindung zwischen dem Wohnwagen und Rosie Duffs Tod herstellen würde.
Aber wie konnte er das tun, wenn der betreffende Wohnwagen dem stellvertretenden Polizeipräsidenten gehörte?
Lawson würde jede Untersuchung auf der Stelle stoppen, sie unterdrücken, bevor sie überhaupt angefangen hatte. Zweifellos würde der Wohnwagen in Flammen aufgehen, und die Schuld dafür würde irgendwelchen Randalierern gegeben. Und was hätte man dann? Nichts als einen Zufall. Lawson hatte sich in der Nähe des Ortes aufgehalten, an dem Alex sie gefunden hatte.
Damals hatte niemand weiter darüber nachgedacht. In den siebziger Jahren war die Polizei in Fife noch über jeden Verdacht erhaben, sie waren diejenigen gewesen, die alles Böse fern hielten. Nicht einmal die Frage wurde gestellt, warum Lawson den Killer nicht gesehen hatte, der die verletzte Rosie auf den Hallow Hill fuhr, obwohl der Streifenwagen doch genau gegenüber dem Weg parkte, den dieser wahrscheinlich genommen hatte. Aber inzwischen war die Welt eine andere geworden, eine Welt, in der es möglich war, die Integrität von Männern wie James Lawson in Frage zu stellen.
Wäre Lawson der geheimnisvolle Freund in Rosies Leben gewesen, dann hätte es Sinn gemacht, dass sie nicht preisgab, wer er war. Für ihre Brüder, die immer in Schwierigkeiten gerieten, wäre es unerträglich gewesen, wenn sie mit einem
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