Echo Einer Winternacht
Geruch, keine verdächtigen Blutspritzer, kein Fleck ließen Böses ahnen.
Aber jetzt war er einer Antwort so nah. Alex konnte es kaum über sich bringen, zur Decke hinaufzuschauen. Was war, wenn Lawson sie seitdem ein dutzend Mal gestrichen hatte? Würde man da noch einen Beweis finden können? Er wartete, bis sich sein Herzschlag beruhigt hatte, murmelte dabei ein an Weirds Gott gerichtetes Gebet, legte den Kopf zurück und sah hinauf.
Scheiße. Die Decke war nicht blau. Sie war cremefarben.
Dieses ganze Theater war also umsonst gewesen. Na ja, er würde trotzdem nicht mit leeren Händen weggehen. Er kletterte auf die Bank genau in der Ecke, wo es kaum auffallen würde, und schabte mit der scharfen Kante des Schraubenziehers etwas Farbe ab. Die kleinen Blättchen fing er in einem Kuvert auf, das er aus seiner Aktentasche genommen hatte. Als er eine genügende Menge gesammelt hatte, kletterte er hinunter und nahm ein ziemlich großes Stück heraus. Es war auf der einen Seite cremefarben und auf der anderen blau. Alex’ Beine zitterten, und er setzte sich schwerfällig hin, von einer Fülle von wirren Gefühlen überwältigt. Er zog Jasons Farbskala aus der Hosentasche und betrachtete den länglichen blauen Farbtupfer, der seinem Gedächtnis nachgeholfen und ihn fünfundzwanzig Jahre zurückversetzt hatte. Er hob den Vorhangzipfel, um das Tageslicht hereinzulassen, und legte das Farbblättchen auf die blaue Probe. Sie waren kaum zu unterscheiden.
Stechende Tränen traten Alex in die Augen. War das endlich die Antwort?
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uncan hatte noch drei weitere Versuche gemacht, mit D Graham
Macfadyen zu sprechen, aber der hatte seine Forderung unerschütterlich aufrechterhalten, mit Lawson – und nur mit Lawson – zu reden. Er hatte Duncan hören lassen, wie Davina schrie, aber das war sein einziges Zugeständnis. Lawson beschloss schließlich aufgebracht, er hätte genug davon.
»Die Zeit verstreicht. Das Baby ist elend, wir haben Druck von der Presse. Geben Sie mir das Telefon. Ich rede jetzt mit ihm«, sagte er.
Duncan warf einen Blick auf das gerötete Gesicht seines Chefs und gab ihm den Hörer. »Ich werde Ihnen helfen, die Richtung zu halten«, sagte er.
Lawson wählte. »Graham? Ich bin’s. James Lawson. Es tut mir leid, dass ich so lange gebraucht habe herzukommen. Ich höre, Sie wollen mich sprechen?«
»Da haben Sie verdammt recht, allerdings will ich Sie sprechen. Aber bevor wir anfangen, sollte ich Ihnen sagen, dass ich das Gespräch aufzeichne. Während wir sprechen, geht es live raus ins Internet. Alle Medien haben die URL und sind wahrscheinlich gespannt auf jedes Wort, das Sie sagen. Es bringt übrigens nichts, wenn Sie versuchen, die Website zu schließen. Ich habe es so eingerichtet, dass es von Server zu Server springt. Bevor Sie herausfinden würden, woher es kommt, ist es schon bei einem anderen.«
»Das ist doch nicht nötig, Graham.«
»Es ist auf jeden Fall nötig. Sie dachten, Sie könnten mich zum Schweigen bringen, indem Sie meine Telefonverbindung kappen ließen, aber Sie denken wie einer aus dem letzten Jahrhundert. Ich bin die Zukunft, Lawson, und Sie sind Geschichte.«
»Wie geht’s dem Baby?«
»Es ist ’ne Nervensäge. Schreit einfach nur die ganze Zeit.
Macht mich ganz fertig. Aber es geht ihm gut. Bis jetzt jedenfalls. Es hat noch keinen Schaden genommen.«
»Sie schaden ihm schon dadurch, dass Sie es von seiner Mutter fernhalten.«
»Das ist nicht meine Schuld. Alex Gilbey ist schuld daran. Er und seine Freunde, die mir meine Mutter genommen haben. Sie haben sie ermordet. Alex Gilbey, Tom Mackie, David Kerr und Sigmund Malkiewicz haben am 16. Dezember 1978 meine Mutter Rosie Duff ermordet. Zuerst haben sie sie vergewaltigt und dann umgebracht. Und die Polizei von Fife hat sie nie dieses Verbrechens angeklagt.«
»Graham«, unterbrach ihn Lawson, »das ist vergangen und vorbei. Wir sorgen uns um die Zukunft. Ihre Zukunft. Und je eher wir diese Sache zu Ende bringen, desto besser für Sie.«
»Reden Sie nicht mit mir, als sei ich begriffsstutzig, Lawson.
Ich weiß, dass ich wegen der Sache ins Gefängnis kommen werde. Es macht nicht viel aus, ob ich meine Geisel herausgebe oder nicht. Nichts wird daran etwas ändern, verkaufen Sie mich also nicht für dumm. Ich habe nichts zu verlieren, aber ich kann dafür sorgen, dass andere Leute auch was abkriegen, verdammt noch mal. Also, wo war ich? Ach ja. Die Mörder meiner Mutter.
Sie haben nie Anklage gegen sie
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