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Echo Einer Winternacht

Titel: Echo Einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Bullen gegangen wäre. Dann war da noch die Art und Weise, wie Lawson immer dann aufgetaucht war, wenn er oder seine Freunde bedroht wurden, als sei er ihr selbst ernannter Schutzengel. Schuldgefühle, dachte Alex jetzt. Schuldgefühle konnten einen Mann so weit bringen. Obwohl Lawson Rosie getötet hatte, hatte er immer noch so viel Anstand, zu meinen, dass nicht andere den Preis für sein Verbrechen zahlen sollten.
    Aber keine dieser Annahmen war zu beweisen. Die Chance, nach fünfundzwanzig Jahren die Zeugen noch einmal zu hören und jemanden zu finden, der Rosie mit Jimmy Lawson gesehen hatte, waren gleich null. Der einzige handfeste Beweis befand sich in diesem Wohnwagen, und wenn Alex nichts unternahm, würde es zu spät sein. Aber was konnte er tun? Die Fertigkeit von Einbrechern hatte er nicht. Als Teenager Autos knacken –
    das war Lichtjahre davon entfernt, ein Schloss zu öffnen, und wenn er die Tür aufbrach, würde Lawson aufmerksam werden.
    Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte er es vielleicht Jugendlichen oder einem Wanderer ohne Unterkunft zugeschrieben. Aber jetzt nicht mehr, wo das Interesse am Fall Rosie Duff so groß war.
    Lawson konnte es sich nicht leisten, so etwas als unwesentlich abzutun, und würde möglicherweise den ganzen Wagen einfach anstecken.
    Alex trat zurück und überlegte. Auf dem Dach bemerkte er ein Flachfenster. Vielleicht könnte er sich dort durchquetschen?
    Aber wie kam er aufs Dach? Es gab nur eine Möglichkeit. Alex stapfte zum Tor zurück, riss es auf und fuhr auf die morastige Wiese. Zum ersten Mal im Leben wünschte er, zu den Idioten zu gehören, die mit einem dieser großen, bescheuerten Geländewagen durch die Stadt kutschieren. Aber nein, er musste ja ein feiner Herr mit einem BMW 535 sein. Was konnte er tun, wenn er im Dreck stecken blieb?
    Er fuhr langsam zu dem Wohnwagen hinunter und hielt parallel zum einen Ende an, öffnete den Kofferraum und machte die Sicherung des Werkzeugsets auf. Zangen, ein Schraubenzieher, ein Schraubenschlüssel. Er steckte alles ein, was aussah, als könne es nützlich sein, nahm Jackett und Krawatte ab und schloss den Kofferraum. Über die Motorhaube kletterte er auf das Dach seines Autos. Von hier war es nicht weit bis oben auf den Wohnwagen. Mit den Füßen einen guten Stand suchend, schaffte es Alex irgendwie, sich auf das Dach hochzuziehen. Es war abscheulich da oben, das Dach war glatt und glitschig. Dreckstücke blieben an seinen Kleidern und an den Händen hängen. Das Fenster bestand aus einer gewölbten Plastikscheibe, die ungefähr 30 mal 70 Zentimeter groß war. Es würde sehr eng werden. Er stieß den Schraubenzieher unter den Rand und versuchte, ihn hochzustemmen.
     
    Zuerst bewegte sich nichts. Aber nach wiederholten Versuchen an verschiedenen Stellen rührte sich etwas, und das Fenster ließ sich mit einem Quietschen aufziehen. Alex fuhr sich mit dem Handrücken übers schweißnasse Gesicht und spähte hinein. Ein drehbarer Metallarm, der sich mittels eines Hebels verstellen ließ, hielt das Fenster in seiner Position, so dass man es von innen hochstellen und wieder schließen konnte. Er verhinderte auch, dass man das Fenster am einen Ende mehr als ein paar Zentimeter öffnen konnte. Alex stöhnte. Er würde den Metallarm abschrauben und dann wieder anbringen müssen.
    Er versuchte, den passenden Winkel beim Ansetzen des Schraubenziehers zu finden. Die Schrauben, die seit der Zeit vor mehr als fünfundzwanzig Jahren, als sie eingesetzt wurden, nicht mehr bewegt worden waren, ließen sich nur schwer lösen.
    Er mühte sich ab, bis sich schließlich eine der Schrauben und dann auch die andere in ihrem Loch zu drehen begann.
    Schließlich ging das Fenster ganz auf.
    Alex sah in den Wohnwagen hinein. Es war nicht so schlimm, wie es hätte sein können. Wenn er sich vorsichtig hinunterließ, schätzte er, dass er die Bank der Sitzecke an der einen Seite erreichen konnte. Er holte tief Luft, hielt sich am Rand fest und ließ sich durch die Öffnung gleiten.
    Er fürchtete schon, seine Arme würden sich auskugeln, als er mit dem vollen Gewicht nach unten rutschte. Seine Füße traten wild in die Luft und versuchten, irgendwo Halt zu finden, aber nach ein paar Sekunden ließ er sich einfach fallen. In dem matten Licht sah es fast aus, als hätte sich seit damals vor so vielen Jahren wenig geändert. Er hatte seinerzeit keine Ahnung gehabt, dass er genau an dem Ort war, wo Rosie einen so gewaltsamen Tod fand. Kein verräterischer

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