Echo Einer Winternacht
Sir?«, fragte Janice und betrachtete den Kleiderschrank und die Frisierkommode aus den fünfziger Jahren, die weiß angestrichen waren, damit sie moderner wirkten. Am Bett stand ein niedriger Tisch mit einer Schublade.
Sonst gab es nur noch einen kleinen Wäschekorb hinter der Tür und einen Papierkorb aus Metall unter der Frisierkommode, wo etwas versteckt sein konnte.
»Nehmen Sie sich die Frisierkommode vor«, sagte er. So musste er sich nicht mit dem Make-up befassen, das nie wieder benutzt werden würde, oder dem zweitbesten BH und den alten Höschen, die für eventuelle Notfälle, die nie eintraten, ganz hinten in der Wäscheschublade steckten. Maclennan kannte seine Schwachstellen und vermied lieber, daran zu rühren, wann immer er konnte.
Janice saß auf dem Bettende, wo Rosie gesessen haben musste, um in den Spiegel zu sehen und ihr Make-up aufzu-tragen. Maclennan wandte sich zur Frisierkommode und zog eine Schublade heraus. Sie enthielt ein dickes Buch, Der Palast der Winde, das Maclennan als die Art von Lesestoff erkannte, mit dem seine Exfrau ihn im Bett auf Distanz gehalten hatte.
»Ich lese, Barney«, hatte sie oft mit geduldiger Leidensstimme gesagt und ihm einen Schmöker so dick und schwer wie ein Türstopper unter die Nase gehalten. Was hatten die Frauen nur mit ihren Büchern? Er zog das Buch heraus und vermied es, Janice beim systematischen Durchsuchen der Schubladen zuzusehen. Unten drin lag ein Notizbuch. Maclennan nahm es in die Hand, unterdrückte aber jede optimistische Erwartung.
Hätte er bekenntnisähnliche Aufzeichnungen zu finden gehofft, dann wäre er bitter enttäuscht worden. Rosie Duff war nicht der Typ Mädchen gewesen, das Tagebuch führt. Nur ihre Schichten in der Lammas Bar, Geburtstage von Familienmit-gliedern und Freunden und Ereignisse wie »Bobs Party« oder
»Julies Fest« waren darin eingetragen. Bei Verabredungen standen die Uhrzeit, der Treffpunkt und das Wort ER, gefolgt von einer Zahl. Es sah aus, als hätte sie im Lauf des letzten Jahres Nummer 14, 15 und 16 durchgemacht. Nr. 16 war offensichtlich der Letzte, der Anfang November zum ersten Mal auftauchte und bald zwei-oder dreimal die Woche zu einer regelmäßig wiederkehrenden Einrichtung wurde. Immer nach der Arbeit, dachte Maclennan. Er würde im Lammas noch einmal nachfragen müssen, ob jemand Rosie gesehen hatte, wenn sie nach Dienstschluss mit einem Mann wegging. Er fragte sich, warum sie sich zu dieser Zeit trafen, statt an Rosies freiem Abend oder tagsüber, wenn sie nicht arbeitete. Entweder sie oder er schien fest entschlossen, seine Identität geheim zu halten.
Er blickte zu Janice hinüber. »Was gefunden?«
»Nichts Unerwartetes. Alles Zeug, das Frauen sich selbst kaufen. Nichts Protziges, was Männer kaufen würden.«
»Männer kaufen protzige Sachen?«
»Leider ja, Sir. Spitze, die kratzt. Nylon, in dem man schwitzt.
Das, was Männer an Frauen sehen wollen, nicht das, was sie für sich selbst aussuchen würden.«
»Das hab ich also all die Jahre falsch gemacht. Ich hätte eigentlich die großen Schlüpfer von Marks und Spencer kaufen sollen.«
Janice grinste. »Dankbarkeit kann ein gutes Stück weiterhelfen, Sir.«
»Irgendein Anzeichen, dass sie die Pille nahm?«
»Bis jetzt nicht. Vielleicht hatte Brian recht, als er sagte, sie sei ein anständiges Mädchen.«
»Nicht unbedingt. Nach Aussage des Pathologen war sie nicht mehr Jungfrau.«
»Es gibt mehr als eine Möglichkeit, seine Jungfräulichkeit zu verlieren, Sir«, betonte Janice, die nicht mutig genug war, einen Pathologen anzuschwärzen, von dem jeder wusste, dass er sich mehr auf seinen nächsten Drink und seinen Ruhestand konzentrierte als auf die Person, die auf seinem Tisch landete.
»Ja. Und die Pillen sind wahrscheinlich in ihrer Handtasche, die noch nicht gefunden wurde.« Maclennan seufzte und schloss die Schublade mit dem Roman und dem Notizbuch.
»Ich seh mir mal den Kleiderschrank an.« Eine halbe Stunde später musste er zugeben, dass Rosie Duff kein Mensch war, der alles aufbewahrte. Ihr Kleiderschrank enthielt Kleider und Schuhe, alle modisch und aktuell. In einer Ecke waren Taschenbücher gestapelt, die sämtlich dick wie Backsteine waren und zu gleichen Teilen Schönheit, Reichtum und Liebe versprachen. »Wir verschwenden hier unsere Zeit«, sagte er.
»Ich hab nur noch eine Schublade zu durchsuchen. Wollen Sie sich nicht mal ihr Schmuckkästchen anschauen?« Janice gab ihm ein Kästchen, das wie eine
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