Echo Einer Winternacht
wirken. Nicht wie ein komischer Kauz. Er wusste, dass die meisten Leute dachten, wenn man im IT-Bereich arbeitete, sei man automatisch absonderlich, und er wollte nicht, dass Lawson die gleiche voreilige Schlussfolgerung zog. Er war nicht absonderlich. Nur anders.
Aber das war genau das, was Lawson nicht merken sollte. Man musste unter den Radarstrahlen durchschlüpfen, so bekam man, was man wollte.
Er hatte sich für ein Paar Levi’s und ein Polohemd von Guinness entschieden. Nichts, was einem einen Schreck einjagen könnte. Er fuhr sich mit dem Kamm durch das dicke dunkle Haar und schaute sein Spiegelbild kritisch an. Eine Frau hatte ihm einst gesagt, er sehe James Dean ähnlich, aber er hatte das als einen kläglichen Versuch abgetan, sein Interesse zu erregen. Er schlüpfte in ein paar schwarze Mokassins und schaute auf die Uhr. Noch zehn Minuten. Macfadyen ging in das Gästezimmer und setzte sich vor einen der drei Computer. Er musste eine Lüge rüberbringen, und wenn er das überzeugend tun wollte, musste er ruhig sein.
James Lawson fuhr langsam den Carlton Way entlang. Es war eine gewundene Straße in Hufeisenform mit kleinen Einfamilienhäusern aus den neunziger Jahren, die dem traditionellen Stil im East Neuk ähneln sollten. Die mit Sand verputzten Mauern, die steilen Ziegeldächer und die Stufengiebel – all das waren Kennzeichen der einheimischen Architektur. Und die Häuser waren individuell genug gestaltet, dass sie sich der Umgebung anpassten. Etwa eine halbe Meile von dem Fischerdorf St. Monans entfernt, waren diese Häuser ideal für junge Selbständige. Diese konnten sich die älteren Häuser nicht leisten, die die Zugezogenen sich geschnappt hatten, weil sie etwas Malerisches entweder als Alterssitz oder zur Vermietung an Feriengäste wollten.
Graham Macfadyens Haus gehörte zu den kleineren. Zwei Wohnzimmer, zwei Schlafzimmer, dachte Lawson. Keine Garage, aber genug Platz in der Einfahrt, um zwei kleine Autos abzustellen. Jetzt stand ein älterer silberfarbener Golf dort.
Lawson parkte auf der Straße und ging den Gartenweg hinauf, die Hosenbeine seines Straßenanzugs flatterten in der steifen Brise vom Firth of Forth. Er klingelte und wartete ungeduldig.
In dieser Einöde würde er nicht gern wohnen, dachte er. Im Sommer wäre es ja ganz hübsch, aber an kalten Abenden im November war es rau und trübselig.
Die Tür ging auf, und ein Mann, der auf die dreißig zuging, erschien. Mittelgroß, schlank, dachte Lawson automatisch. Ein Schopf dunkler gewellter Haare, die man kaum ordentlich kämmen konnte. Blaue, tiefliegende Augen, breite Backenknochen und ein voller, fast weiblich weicher Mund.
Keine Vorstrafen, wie er von einer Überprüfung der Daten zu seiner Person wusste. Aber viel zu jung, um den Fall Rosie Duff aus eigener Erfahrung zu kennen. »Mr. Macfadyen?«, sagte Lawson.
Der Mann nickte. »Sie müssen Assistant Chief Constable Lawson sein. Soll ich Sie so nennen?«
Lawson lächelte beruhigend. »Der Dienstgrad ist überflüssig.
Mr. Lawson genügt.«
Macfadyen trat zurück. »Kommen Sie herein.«
Lawson folgte ihm durch einen schmalen Flur in ein schön aufgeräumtes Wohnzimmer. Eine braune Ledergarnitur stand vor einem Fernseher und ein Videorekorder und ein DVD-Player daneben. Zu beiden Seiten waren Regale mit Videokassetten und DVDs angebracht. Das einzige andere Möbelstück im Zimmer war ein Schrank mit Gläsern und mehreren Flaschen Malt Whisky. Aber das sah Lawson erst später. Was ihm sofort auffiel, war das einzige Bild, das an den Wänden hing. Ein stimmungsvolles Foto, das auf eine Größe von 50 mal 75 vergrößert war und auf dem jeder, der mit dem Fall Rosie Duff zu tun gehabt hatte, sofort erkennen konnte, worum es sich handelte. Bei niedrig stehender Sonne aufgenommen, zeigte es die Ausgrabungen der langen Steinkistengräber des piktischen Friedhofs auf dem Hallow Hill, wo man die Sterbende gefunden hatte. Lawson war wie erstarrt.
Macfadyens Stimme holte ihn in die Gegenwart zurück.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«, fragte er. Reglos wie die vom Blick des Jägers gebannte Beute stand er in der Tür.
Lawson schüttelte den Kopf, um den Drink abzulehnen, aber auch um den Eindruck des Bildes abzuschütteln. »Nein, danke.«
Er setzte sich mit der Selbstsicherheit, die er durch viele Dienstjahre als Polizist gewonnen hatte, ohne besondere Aufforderung.
Macfadyen trat in das Zimmer und setzte sich in einen Sessel ihm gegenüber. Lawson konnte
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