Echo gluecklicher Tage - Roman
war sie. Später an jenem Morgen saß sie gerade in dem kleinen Zimmer neben der Küche, wo die Nähmaschine stand, und sang, während sie einige abgenutzte Laken in der Mitte auftrennte und andersherum wieder zusammensetzte, als Mrs Langworthy hereinkam.
»Und was hat dich in einen kleinen Singvogel verwandelt?«, fragte sie mit einem breiten Lächeln.
»Ich bin nur so glücklich, weil mein Bruder Molly endlich gern zu haben scheint«, gestand Beth. »Wir hatten so viele Probleme, als meine Mutter starb, verstehen Sie. Es war schwer für ihn, Molly zu akzeptieren.«
»Ich glaube nicht, dass Männer Babys sofort so lieben können, wie Frauen das tun«, sagte Mrs Langworthy nachdenklich. »Viele meiner Freundinnen haben mir erzählt, dass ihre Männer zuerst gar kein Interesse gezeigt hätten. Und für deinen Bruder muss es noch schwerer gewesen sein, weil ihr beide noch so jung seid.«
Beth erzählte von ihren beiden Untermietern und dass Sam in letzter Zeit viel glücklicher war. »Er hat auch schon seit einer Ewigkeit nicht mehr davon gesprochen, nach Amerika auszuwandern«, sagte sie.
»Hättet ihr das gerne getan?«, wollte Mrs Langworthy wissen.
»Na ja, schon«, erwiderte Beth. »Was für ein Abenteuer das wäre! Aber mit Molly ginge es ja ohnehin nicht. Ich würde dort ebenfalls arbeiten müssen, wenn wir uns etwas aufbauen wollten. Ohne Freunde und Familie hätten wir niemanden, der auf sie aufpasst.«
»Es ist eine Schande, dass du und dein Bruder eure Träume und Pläne aufgeben müsst«, bemerkte Mrs Langworthy und tätschelte mitfühlend Beths Schulter.
An einem heißen, sonnigen Samstag Ende August kam Sam von der Arbeit und schlug vor, dass sie am folgenden Tag die Fähre nach New Brighton nehmen sollten. Ernest und Peter wollten früh mit dem Fahrrad aufbrechen, und da sie gesagt hatten, dass sie kein Abendessen brauchten, weil sie unterwegs irgendwo einkehren wollten, bedeutete das, dass Sam und Beth nicht früh zurück sein mussten.
Beth war hocherfreut über Sams Vorschlag, nicht nur, weil sie so viele schöne Erinnerungen an Ausflüge mit ihren Eltern nach New Brighton hatte, sondern weil er Molly mitnehmen wollte.
»Zieh dir etwas Schönes an«, schlug er vor. »Du hast lange genug Trauer getragen. Es wird Zeit, wieder ein bisschen Spaß zu haben.«
Erst ein oder zwei Wochen zuvor war Beth die Kleider ihrer Mutter durchgegangen, um zu sehen, welche davon sie vielleicht verkaufen oder für sich selbst umnähen konnte, und ganz unten im Schrank hatte sie das blassblau-weiß gestreifte Kleid gefunden, das ihre Mama auf dem Foto trug. Beth hatte sich danach gesehnt, es zu tragen, weil es sehr hübsch war, mit einem tieferen Ausschnitt, als sie ihn normalerweise trug, Keulenärmeln und Biesen am Mieder. Sie musste es an der Taille ein bisschen auslassen und den Saum ein paar Zentimeter länger machen, aber ansonsten passte es perfekt.
»Du siehst hübsch aus«, sagte Sam bewundernd, als sie am Sonntagmorgen umgezogen in die Küche kam.
Beth war ganz schwindelig vor Aufregung, denn mit offenem Haar und einem kecken kleinen Strohhut, den sie sich etwas schief aufgesetzt hatte, fühlte sie sich fast wie eine modisch gekleidete junge Dame. Molly schien ihre Aufregung zu spüren, denn sie lachte und klatschte in ihre dicken kleinen Hände, während Beth sie nach unten trug und in ihren Kinderwagen setzte.
Als sie in die Lord Street einbogen, um zu den Docks und der Fähre zu gelangen, war Sam offensichtlich genauso aufgeregt, denn er fing an, Spiele mit Molly zu spielen und sie zum Lachen zu bringen, während er neben dem Kinderwagen herging.
Hunderte von Leuten liefen in die gleiche Richtung. New Brighton mit seinen Sandstränden, Karussells, dem Eselreiten und der Promenade war ein beliebtes Tagesausflugsziel für Arbeiter.
Es war ein unglaublich schöner Tag. Sie aßen Eis, Zuckerwatte, Shrimps und Hackbraten, und sie lachten laut über Molly, die alles probieren wollte, was sie aßen. Sie war so gierig nach dem Eis, dass sie fast aufstand, um es zu erreichen, und anschließend war ihr ganzes Gesicht verschmiert.
Sie zogen ihre Stiefel aus und gingen mit bloßen Füßen ins Wasser, fuhren Karussell, wobei Sam Molly vor sich setzte, und Beth gewann ein Glas mit Bonbons beim Ringewerfen. Sam testete seine Stärke und schaffte es nur, den Zeiger bis auf »Schwächling« steigen zu lassen, während andere Männer, die viel kleiner waren als er, die Glocke zum Klingen brachten. Aber er gewann
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