Echt easy, Frau Freitag!: Das Allerneueste aus dem Schulalltag
Maurice.«
Wenn ich die Kollegen nach dem Verhalten meiner süßen Klasse frage, dann stöhnen sie alle immer nur über Anil. Auch seine Mitschüler beschweren sich schon täglich bei mir.
»Frau Freitag, Anil hat Volkan mit dem Füller in den Arm gepikt.« – »Frau Freitag, Anil quatscht in Geschichte immer so viel, dass ich gar nicht verstehen kann, was der Lehrer sagt.« – »Anil macht immer Faxen, wenn der Lehrer sich umdreht.«
Eigentlich höre ich jeden Tag irgendwelche Schoten über Anil. Ich spreche ständig mit den Erziehern seiner Wohngruppe, und gestern habe ich sogar mit seiner Mutter telefoniert. Am Wochenende ist Anil bei seiner Mutter. Obwohl sie Schwierigkeiten hat, Anil zu erziehen, freuen sich beide immer sehr auf die gemeinsame Zeit.
»Was erzählt der Anil denn so aus der Schule?«
»Ach, nicht viel. Er sagt, es ist alles in Ordnung.«
Alles in Ordnung, ha! Nichts ist in Ordnung! Ich kläre die Mutter auf. »Mama Anil, wir müssen uns schnellstens hier in der Schule treffen und besprechen, was wir machen können. Anils Verhalten muss sich ändern, sonst wird das hier nichts. Können Sie nächsten Montag in die Schule kommen? So um 12.00 Uhr?« Sie kann.
»Hören Sie, ich werde dem Anil noch eine schriftliche Einladung mitgeben, dann können wir mal sehen, ob er sie abgibt. Ich werde ihm sagen, dass er die unbedingt am Freitag unterschrieben dabeihaben muss. Wir werden jetzt gemeinsam eine lückenlose Überwachung ansetzen.«
Also gebe ich Anil die Einladung mit. Offen, damit er sie auch lesen kann und weiß, was los ist. Ich bin sehr gespannt, ob er am nächsten Tag die Unterschrift dabeihat.
Dann unterrichtete ich noch ein wenig Englisch und werde plötzlich mit einer interessanten Frage konfrontiert. Wir wiederholen gerade das present progressive. » Look at me! What am I doing ?« Ich latsche durch den Raum.
Schüler: » Go !«
Ich: » Yes. Or walk .«
Schüler: » You walk .«
Ich: » Yes , fast richtig. Mit -ing.«
Megaguteschülerin: » Mrs Freitag is walking .«
Ich: »Yeah! Super!«
Hamid meldet sich. »Frau Freitag, wenn Sie laufen, warum fallen Sie nicht runter, die Erde ist doch rund.«
Meine Klasse starrt mich an, als erwarteten sie, dass ich jeden Moment taumeln und fallen würde.
»Ja, aber die Erde ist doch so riesig, dass sie hier nicht gekrümmt ist. Guck mal, hier ist doch alles gerade.« Ich zeige auf den Fußboden.
»Aber die Erde ist doch rund. Da müssen Sie doch runterfallen.«
»Na, falle ich denn? Fällst du, wenn du läufst?«
Aylin meldet sich: »Erdanziehungskraft. Wir werden alle von Erdanziehungskraft gehalten, stimmt’s, Frau Freitag?«
Es klingelt. Ich rufe Hamid hinterher, er soll seinen Erdkundelehrer nach der Planetenkrümmung fragen.
Runterfallen …herrlich, wo runter … von der Erde? Muss ich ja richtig aufpassen, dass ich nicht in den Weltraum kippe.
Anil auf dem heißen Stuhl
»Wo sind die anderen? Hat es nicht schon geklingelt?« Ich warte auf Anil, Hamid und Orkan. Die Mädchen haben Sport, und ich habe meine wöchentliche Nur-ich-und-die-Jungs-Stunde. Eigentlich sehr nett. Die Hälfte der Klasse ist klasse.
Hamid und Orkan kommen rein: »Anil hatte einen Kampf mit ein Junge aus der Neunten.« – »Ja, Mann, Frau Freitag, er ist voll frech. Auf dem Hof sagt er zu jeden Ausdrücke, und dann sagt er immer ›willst du kämpfen‹?« Und jetzt wollte wohl mal einer kämpfen. »Er war richtig frech und dann hat der Junge ihn geschlagen und dann hat Anil geheult.«
Es klingelt.
»Fangt schon mal an zu arbeiten, ich gehe nach Anil gucken.« Im Treppenhaus kommt er mir entgegen. Seine Backe ist ganz rot und seine Augen sind leicht wässrig.
»Was war denn los? Hattest du Stress?«
»Ich weiß auch nicht. Dieser Junge, er hat mich einfach gehauen«, sagt Anil.
»Wie, einfach so? Und du hast nichts gemacht?«
»Nein. Nichts. Ich hab nichts gemacht.«
»Na, komm erst mal rein in den Raum und setz dich hin. Nimm ein Blatt raus, und dann schreib auf, was passiert ist.«
Anil nimmt ein Blatt aus seinem Rucksack.
»So, erst die Überschrift: ›Vorfall am 16. 9. um 12.00 Uhr‹«, diktiere ich. Er schreibt: »Forfall am 16. 9 umd 12.00 Uhr«, darunter den Namen des Jungen und die Klasse. Dann hört er auf. Anil vermeidet es nach Möglichkeit, sich schriftlich mitzuteilen.
»Anil, hast du die Einladung für deine Mutter mitgebracht?« Er hat sie mit und legt sie mir vor. Dazu sein Hausaufgabenheft, in das jeder Lehrer das
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