Echt easy, Frau Freitag!: Das Allerneueste aus dem Schulalltag
keiner hat aus lauter Frust angefangen zu stören. Meine Klasse ist echt toll.
Selbst den ersten Wandertag haben wir bravourös über die Bühne gebracht. Ohne irgendwelche Zwischenfälle. Zurzeit läuft echt alles ganz easy und entspannt.
Es läuft so entspannt, dass ich mir meinen Stress nach der Schule selbst schaffen muss. Das funktioniert so: Ich gehe auf dem Nachhauseweg an einem türkischen Gemüsestand vorbei. Dort gibt es Maiskolben, fünf Stück für nur einen Euro, und Blumenkohl für 50 Cent. Muss ich also sofort kaufen. Die Tüte ist schwer und sehr dünn. Schon auf dem Weg zum Bus reißt sie – erst der Henkel, dann bohren sich die Maiskolben durch. Ich muss also alles auf den Armen balancieren. Kurz danach fällt mir ein, dass ich noch in die Kinderbibliothek wollte, weil ich Bücher für den Kunstunterricht brauche. Mit der schweren Schultasche (zwanzig Englischarbeiten à acht Seiten) und der durchlöcherten Gemüsetüte schleppe ich mich zur Bücherei. Nachdem ich eine Stunde jedes Regal inspiziert habe, gehe ich mit zwei Büchern zur Ausleihe. Da fällt mein Blick auf das Bushido-Buch. Seine Biographie. Die wollte ich schon immer mal lesen, aber auf keinen Fall kaufen. Ausleihen ist da genau das Richtige. Wenn ich auf dem Weg zur Arbeit wieder lese, komme ich vielleicht auch vom Handyspielen weg. Langsam sehe ich nämlich überhaupt keinen Nutzen mehr in BLOCK’D , außer, die Zeit zu vertreiben. Und mein Daumengelenk schmerzt jetzt zusehends. Aber vielleicht kommt meine Klasse ja doch noch irgendwann in die Pubertät, dann könnte ich auf dem Nachhauseweg im Bus schon anfangen, lange Elternbriefe zu schreiben.
Aua
»Raus! Sabrina, verlass den Raum und warte vor der Tür!«
»Kann ich meine Tasche mitnehmen?«
»Nein!!!«
»Jaja, klaun Sie schön meine Tasche …«
»DEINE BILLIGE TASCHE WERDE ICH BESTIMMT KLAUEN!«
Ich bin im Epizentrum meines, meines … ach, keine Ahnung. Alles zerbricht und zerfällt. Ich verwalte nicht mal mehr das Chaos – ich bin das Chaos. Im Raum sind es 40 Grad. Ich bin seit 7.30 Uhr in der Schule. Jetzt ist es 16.10 Uhr. Ich wusste, dass es hart wird. Deshalb habe ich in der Videothek bei mir an der Ecke einen Film ausgeliehen: Wallace und Gromit . Englisch, aber leicht.
»Wir machen jetzt die Hälfte der Stunde die Berichtigung der Arbeit, und dann gucken wir – sind ja bald Ferien – einen Film. Aber nur, wenn ihr jetzt alle leise seid und gut mitmacht.« Leise? Ha! Niemand ist leise. Eine Schülerin muss ich vorne vor der Klasse schreiben lassen, Sabrina stand draußen – mit Tasche – und ist dann abgehauen, einen anderen schicke ich ins Schulbüro und den Rest versuche ich mit Anmeckern in Schach zu halten. Grauenhaft.
Nach der Hälfte der Stunde will ich den Film starten. Den Beamer hatte ich schon in der Stunde davor aufgebaut. Ich lege die DVD ein und … nichts passiert. Ich drücke verschiedene Knöpfe, nichts. Hinter mir geht der Punk ab. Ich kann nicht mehr. Ich habe keine Kraft mehr. Ich könnte heulen. Das ist doch keine Arbeit, was ich hier mache, das ist die reinste Zumutung. Für mich und für die Schüler.
Wenn es nicht bald klingelt, wende ich noch Gewalt an. Ich will nach Hause. Ich stelle mich an die Tür und beobachte das grauenhafte Treiben. Kurz kann ich mich damit trösten, dass die 7b nicht meine Klasse ist, sondern die von Verena. Ich unterrichte die nur in Englisch. Eine Schülerin schmeißt ihre Federtasche auf den Jungen, der ihr gegenübersitzt. Eine andere haut ein Haarband auf den Tisch. Immer und immer wieder. Einer wiegt mit dem Oberkörper hin und her: Hospitalismus – durch meinen schlechten Unterricht. Einer hat einen viel kleineren Schüler im Schwitzkasten. Und der Rest schreit rum. Im besten Fall labern sie nur vor sich hin.
Ich will das nicht mehr. Diese späte Stunde ist die reinste Hölle. Meine Stimmbänder schmerzen. Irgendwann klingelt es, und wir verlassen alle mit letzter Kraft den Raum. Der nächste Montag kommt ja erst in drei Wochen. Thank god ! Und danke dem Erfinder der Herbstferien.
So riecht der Libanon
Einem grauenhaften Tag folgt eine desaströse Nacht. Um halb neun (!) schlafe ich wimmernd vor dem Fernseher ein. Vorher habe ich in Gedanken mein Leben und meine Berufswahl verflucht. Alles scheiße, scheiße, scheiße. Macht gar keinen Spaß. Ich will nicht mehr. Dann ein schwerer ungemütlicher Schwitzerschlaf, und um 1.30 Uhr bin ich hellwach. Aus dem Bett – in das ich irgendwie
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