Echt easy, Frau Freitag!: Das Allerneueste aus dem Schulalltag
nur gegenseitig in die sehr langen Haare und ziehen daran. Ein bizarres Schauspiel. Ich bin genervt. »Benita, geh jetzt doch mal raus und such deine Klassenlehrerin.«
Irgendwann verschwindet Benita. Kurz danach geht Saira auch einfach raus. Ich fange mit dem Unterricht an. Plötzlich verlässt auch Gamze den Raum, um Benita zu suchen, die angeblich noch ihr Handy hat. Fünf Minuten vergehen, alle Verbliebenen haben gerade die Seite im Buch gefunden, die ich heute besprechen wollte, da geht die Tür auf. Sieben Schüler erzählen mir, dass sie einen Kampf zwischen Benita und Saira schlichten mussten und deshalb zu spät sind. Dass sie ohnehin zu spät waren, da sich der Kampfanfang ja nach Unterrichtsbeginn in meinem Raum zugetragen hat, leuchtet ihnen nicht ein. Ich verfrachte sie an die leeren Tische und will weiter unterrichten, aber jetzt müssen erst die Neuigkeiten von Benita und Saira ausgetauscht werden. Alle quatschen durcheinander und Damla summt » I will always love you « vor sich hin.
Unterricht ist nicht mehr möglich. Wie heißt es so schön: Störung geht vor. »Okay, Blätter raus, ich schreibe die Sätze an die Tafel. Ihr schreibt die ab, und ich will jetzt NICHTS mehr hören! Damla, hör auf, dieses blöde Lied zu summen!«
»’tschuldigung!«
Irgendwann schreiben sie. Es wird wieder still. Ich gucke zu Ibo. Der grinst mich an und singt leise: »Nossa, nossa. Assim você me mata, ai se eu te pego …«
Mach so, wie wenn er Luft ist!
»Frau Freiiitag, wie kann ich ein Mädchen töten?« Leila aus der Siebten latscht mit ihrer Freundin Rascha über den Gang. Ich schließe gerade meinen Raum zu und will ins Lehrerzimmer.
»Na, erst mal musst du ihr die Schminke wegnehmen«, schlage ich vor. Unsere Schülerinnen sind gerne melodramatisch, aber etwas Schlimmeres als Haareziehen habe ich bei denen noch nie erlebt.
Leila grinst: »Sehr gut!«
»Dann würde ich ihr die Haare abschneiden. Und dann würde ich so machen.« Ich nehme Leila in den Schwitzkasten. »Dann kannst du ihren Kopf gegen die Wand … äh, guten Tag.« Herr Johann kommt um die Ecke. Ich lasse Leila los.
Sie stellt sich vor mich, hebt den Zeigefinger: »Frau Freitag, Sie bekommen eine Eins!« Dann sackt sie wieder in sich zusammen. »Diese scheiß Schlampe hat mir einen Jungen ausgespannt. Können Sie uns das Klo aufschließen?«
Ich schließe auf.
»Leila, weißt du, was du machen musst?«
»Nein. Sagen Sie!«
»Du musst ihn ignorieren. Tu so, als würde dir das alles nichts ausmachen.«
»Ja, ja!«, sagt Rascha jetzt. »Mach so, wie wenn er Luft ist. Guck, du gehst so an ihn vorbei.« Sie demonstriert uns, wie man das machen muss. Arroganter, kurzer Blick und dann die kalte Schulter zeigen.
Mit: »So, aber im Klo nichts an die Wände schmieren«, übergebe ich sie wieder an ihre kleine Welt und gehe ins Lehrerzimmer.
Tzzz, jetzt kommt sie langsam, die heiße Phase der Pubertät. Auch in meiner Klasse rumort es. Da wird gekichert, Sachen werden weggenommen. In fast jeder Stunde schreit Gülistan, dass ihr Volkan irgendwas getan hat. »Er hat mich angemalt, er hat mir meinen Stift geklaut, er hat meine Federtasche …« Ich sehe es ganz deutlich: Volkan steht auf Gülistan. Nach dem Unterricht stellen die Mädchen mit mir die Stühle hoch.
»Sag mal, Gülistan, Volkan, der will was von dir, oder?«
Sie grinst. Die anderen Mädchen halten den Atem an. »Frau Freitag, er hat auf Facebook gefragt, ob ich mit ihn gehen will. Aber Frau Freitag, wissen Sie, er ist voll pervers.«
Tja, da muss der Volkan wohl noch an seinem Verhalten arbeiten. Sachen wegnehmen und das Mädchen anmalen reicht wohl nicht. Vielleicht mal die Ausdrucksweise justieren, denn meine Mädchen sind sehr etepetete. Das ist auch gut so. Die sollen mal nicht nachgeben. Sollen die Jungs doch aufhören mit ihren schweinischen Sprüchen – da steht kein Mädchen drauf. Vielleicht muss ich denen auch mal ein paar Tipps geben. Beim Julklapp wussten doch alle bis auf Yussuf eigentlich genau, worum es geht.
Hamid hat sich neulich auch die ganze Zeit im Spiegel angeguckt, bis ich ihm den mit der Begründung »So, schön genug!« weggenommen habe. Erst später sah ich, dass er sich die Haare irgendwie anders gekämmt hatte. Neuer Look – für neuen Eindruck. Bei dem geht es wohl auch los.
Kurz bevor es zur nächsten Stunde klingelt, gehen die Mädchen. Kübra ist die Letzte. Sie ist sooo süß, mit ihrer Brille und ihrem Kopftuch. Trotzdem hat sie es
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