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Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition)

Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition)

Titel: Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Morawek , Christian Döring
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Kinder im Fernsehen lief, auf Europa-Hörspiel-Kassetten vertrieben wurde oder was es als Spielzeug gab, okkult.
    Die anderen Schüler hatten keine Ahnung, wovon ich sprach. Die Lehrerin war sehr erstaunt, dass ein Grundschüler dieses Wort kannte.
     
    Christian: Die Kirche meiner Heimatstadt Schwaan stand in direkter Nachbarschaft zum Schulhof der POS. Oft wurde während der Christenlehrestunden die Kirchentür aufgeschlagen und wir wurden von großen Schülern ausgelacht oder beschimpft. Wer geht schon in die Kirche?
    Unsere Katechetin, Frau Schwebcke, ertrug all diese Schikanen in völliger Ruhe. Als wir ihr einmal rieten: „Schließen Sie einfach die Kirchentür zu, bis die Stunde um ist“, meinte sie lächelnd: „Aber das kann ich doch nicht machen. Stellt euch mal vor, einer von euch kommt zu spät, wir hören doch gar nicht sein Klopfen.“
    Das sahen wir ein. Mir tat diese Frau unendlich leid.
    Noch schlimmer waren die großen Pausen während der Unterrichtszeit. Pünktlich um 9.30 Uhr klingelte die Schulglocke und wir durften alle für 20 Minuten auf den Pausenhof. Ein paar Rabauken hatten dann ganz schnell einen Stein in der Hand und zielten damit auf die Kirchenfenster. Obwohl immer ein Lehrer Hofaufsicht hatte, sagte der nie etwas dazu. Manchmal amüsierte es ihn sogar, wenn eine der vielen kleinen teuren Glasscheiben zu Bruch ging. Als ich einmal wütend zu meiner Klassenleiterin ging – sie hatte gerade Hofpause – um ihr zu sagen, dass ein Schüler eben eine Fensterscheibe kaputt geworfen hatte, da grinste sie mich nur an und sagte: „Ach Christian, ich habe nichts gesehen.“
    Da wusste selbst der Erstklässler Christian Bescheid.
    Meine Christenlehrestunde begann dienstags um 14 Uhr. Die Schule war längst aus, aber ich musste bis 15 Uhr im Hort bleiben. Nur für die Dienstage hatte meine Mutter eine Ausnahme erwirkt. Kurz vor 14 Uhr waren wir jeweils in der Schülerspeisung fertig und dann rief die mir verhasste Hortnerin einmal mehr durch den riesigen Speisesaal: „Der kleine Pastor muss zur Christenlehre.“
    Jeden Dienstag kurz vor zwei bekam ich einen hochroten Kopf, schnappte meinen Ranzen und stiefelte wütend aus diesem Saal hinaus. Alle Kinder lachten und kreischten, manche riefen auch: „Ha, da rennt er, der kleine Pastor.“
    Ich war der Einzelgänger. Habe mir meine Leute gesucht. Gekostet hat mir das Verhalten meiner Klassenleiterin und meiner Hortnerin auch meine anfänglich große Freude auf die Schule.
    Durchgestanden habe ich das alles nur, weil ich mir immer sagte, in wenigen Minuten sitze ich bei meiner Katechetin Frau Schwebcke und keiner kann mir mehr etwas anhaben.
    Da zu Schwaan eine große Zahl Dörfer gehörten und sich bei uns der zentrale Friedhof befand, gab es auch täglich Beerdigungen. Die begannen um 13 Uhr. Um 12.40 Uhr war meine letzte Schulstunde zu Ende. Und gleich neben dem Pausenhof befand sich das Pfarrhaus. Fast immer wenn ich auf Höhe der Haustür des Pfarrhauses war, kam der alte Pastor Götze im wehendem schwarzen Talar heraus und begab sich fast täglich gemeinsam mit mir in Richtung Friedhof. Wir hatten den gleichen Weg und so gingen wir zwanzig Minuten durch unsere Stadt. Der kleine Schüler und der alte Pastor im Talar. Für einige in Schwaan war dieser Mann in seinem Aufzug sicher eine Provokation, aber mit seinen über 60 Lebensjahren war er eben auch eine Respektsperson. Ich habe nie erfahren, dass jemand auf ihn Druck ausgeübt hätte wegen seines wehenden Altars in den Schwaaner Straßen.
     
    Daniel: Gab es eigentlich nur kirchliche Beerdigungen? Oder als Ersatz auch sozialistische?

    Christian: Nein, es gab auch staatliche Trauerfeiern mit einem Redner.
     
    Daniel: Aha. So etwas habe ich damals im Westen nie erlebt. Möglich, dass es auch Beerdigungen ohne Pfarrer gab. Aber für die meisten Menschen hat dies ganz sicher zu einer normalen Trauerfeier gehört. Und man hat einen Geistlichen dazu geholt - unabhängig davon, ob man regelmäßig in die Kirche ging oder nicht. Das Standardprogramm, das zum guten Ton gehörte, war damals noch ganz eindeutig: In die Kirche ging man, um Kinder taufen zu lassen, als Schüler zum Ferienbeginn, an Weihnachten und eben auch bei einem Trauerfall.
     
    Christian: Klar wurden meine Spaziergänge mit dem Pastor bald in der Schule bekannt. Es wurde sogar auf dem nächsten Pioniernachmittag ausgewertet. Andere Schüler brachten dieses Thema vor das Tribunal. Nicht weil sie Angst vor der Kirche gehabt

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