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Echt zauberhaft

Echt zauberhaft

Titel: Echt zauberhaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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einen solchen Anblick geboten. Einige Sekunden lang glaubte der Wahrsager, daß sie sich bewegten.
    »Äh… die Zukunft ist ungewiß«, sagte er schließlich.
    »Sorg dafür, daß sie gewiß wird«, erwiderte Lord Hong. »Wer erringt morgen früh den Sieg?«
    Schatten huschten über den Tisch.
    Etwas flatterte um die Lampe. Es sah nach einer unscheinbaren gelben Motte mit sonderbaren Flügelmustern aus.
    Der Wahrsager hatte bessere präkognitive Fähigkeiten, als er selbst wußte, und sie vermittelten ihm folgende Botschaft: Dies war kein geeigneter Zeitpunkt, Hellseher zu sein.
    Andererseits war dies auch kein geeigneter Zeitpunkt, um brutal hingerichtet zu werden, also…
    »Es kann nicht der geringste Zweifel daran bestehen, daß der Feind eine vernichtende Niederlage erleidet, o Lord«, sagte er.
    »Wieso bist du da so sicher?« fragte Lord McSweeney.
    Der Wahrsager fühlte sich in seiner Berufsehre verletzt.

»Siehst du das wabbelige Etwas bei den Nieren? Und verstehst du, was das grüne klebrige Ding hier bedeutet? Kennst du dich mit der Leber aus, hm?«
    »Na bitte«, sagte Lord Hong. »Das Schicksal meint es gut mit uns.«
    »Trotzdem«, wandte Lord Tang ein. »Die Männer sind sehr…«
    »Du kannst den Männern sagen…«, begann Lord Hong. Er unterbrach sich, zögerte und lächelte. »Sag den Männern, daß tatsächlich eine große Armee aus unsichtbaren Vampirgeistern existiert.«
    »Was?«
    »Ja!« Lord Hong schritt auf und ab und schnippte dabei mit den Fingern. »Ja, es gibt eine schreckliche Streitmacht aus ausländischen Geistern. Und sie hat unsere Geister so sehr erzürnt, daß sie… Ja, tausend Generationen unserer Vorfahren reiten nun auf dem Wind, um die barbarischen Invasoren zurückzuschlagen! Die Geister des Reiches erheben sich! Millionen und Abermillionen! Selbst unsere Dämonen sind wütend auf die Eindringlinge! Sie werden sich auf die Angreifer stürzen, um sie mit Klauen und Zähnen zu zerfetzen… Ja, Lord Sung?«
    Die Kriegsherrn wechselten nervöse Blicke.
    »Bist du sicher, Lord Hong?«
    Lord Hongs Augen glänzten hinter den kleinen Brillengläsern.
    »Sorgt für die notwendigen Proklamationen«, wies er die anderen Lords an.
    »Aber wir haben den Männern erst vor ein paar Stunden gesagt, daß keine…«
    »Sagt ihnen jetzt etwas anderes!« rief Lord Hong. »Wenn der Feind glaubt, daß seine Stärke in der Täuschung liegt… dann sorgen wir dafür, daß aus der vermeintlichen Stärke seine Schwäche wird. Sagt den Soldaten, daß eine Milliarde Geister des Reiches hinter ihnen stehen!«
    Die Kriegsherrn mieden seinen Blick. Niemand von ihnen wollte darauf hinweisen, daß der durchschnittliche Soldat sich bestimmt nicht darüber freute, daß sich vor und hinter ihm Geister befanden; immerhin genossen Geister den Ruf, launisch und unberechenbar zu sein.
    »Gut«, sagte Lord Hong und sah nach unten.
    »Du bist noch hier?« fragte er.
    »Ich wollte nur schnell die Eingeweide einpacken, o Lord!« quiekte der Wahrsager.
    Er nahm die Reste des leidgeprüften Huhns und floh.
    Auf dem Weg nach Hause dachte er: Ich habe nicht gesagt, welcher Feind eine vernichtende Niederlage erleidet.
    Lord Hong blieb allein in seinen Gemächern zurück.
    Nach einer Weile merkte er, daß er zitterte. Vermutlich aus Zorn. Oder vielleicht… Nun, er konnte die Situation noch immer zu seinem Vorteil nutzen. Barbaren kamen von jenseits der Mauer, und für die meisten Leute im Reich blieb das Draußen ein uniformes Etwas ohne Richtung. Ja. Die Barbaren waren eine unwichtige Einzelheit: Sie ließen sich leicht aus dem Weg räumen, konnten aber auch in die allgemeine Strategie integriert werden, wenn er es geschickt anstellte.
    Hong atmete schwer.
    Er suchte sein privates Arbeitszimmer auf und schloß die Tür.
    Er holte den Schlüssel hervor.
    Er öffnete die Kiste.
    Eine Zeitlang herrschte eine Stille, in der nur das Rascheln von Kleidung zu hören war.
    Dann betrachtete sich Lord Hong im Spiegel.
    Er hatte sich große Mühe gegeben, dies zu erreichen. Er hatte mehrere Agenten eingesetzt, und jeder von ihnen kannte nur einen Teil des Plans. Der Schneider in Ankh-Morpork hatte sich genau an die Maße gehalten und ausgezeichnete Arbeit geleistet. Spitze Stiefel, Kniehose, Wams, Umhang, der Hut mit einer Feder… Lord Hong wußte, daß er wie ein perfekter Gentleman aus Ankh-Morpork gekleidet war. Das Futter des Umhangs bestand aus Seide.
    Die Sachen fühlten sich unbequem an und berührten ihn an ungewohnten

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