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Echt zauberhaft

Echt zauberhaft

Titel: Echt zauberhaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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vernünftiger geworden war. Für gewöhnlich bestand er aus kurzen Phasen der Aktivität, denen lange Pausen folgten, in denen Offiziere und Soldaten im Stichwortverzeichnis suchten.
    Niemand erinnerte sich an den Autor. Einige glaubten, das Buch sei von Eins Tsu Sung geschrieben worden; andere hielten Drei Su Sung für den Verfasser. Das erste Prinzip hatte vermutlich ein unbesungenes Genie geschrieben bzw. gemalt: Wer den Feind kennt, der kennt sich selbst.
    Lord Hong glaubte, sich selbst recht gut zu kennen, und es fiel ihm nie schwer, seine Feinde zu identifizieren. Außerdem achtete er darauf, daß seine Feinde am Leben und gesund blieben.
    Zum Beispiel die Lords Sung, Fang, Tang und McSweeney: Hong schätzte sie sehr. Vor allem wegen ihrer Adäquatheit. Sie verfügten über adäquate militärische Fähigkeiten, was bedeutete: Sie waren mit den Fünf Regeln und Neun Prinzipien der Kriegskunst vertraut. Sie schrieben adäquate Gedichte und verstanden es, mit den Intrigen in ihren eigenen Reihen fertig zu werden. Gelegentlich schickten sie Mörder und Attentäter, die sich als geschickt genug erwiesen, Lord Hongs Interesse zu stimulieren und ihn zu unterhalten.
    Er bewunderte auch ihren adäquaten Verrat. Eigentlich war völlig klar, daß Lord Hong der nächste Kaiser sein würde, trotzdem ließen die anderen Lords nicht davon ab, um den Thron zu ringen. Zumindest offiziell. Insgeheim hatte jeder Kriegsherr Lord Hong Treue geschworen, aufgrund adäquater Intelligenz: Sie alle wußten, was geschehen würde, wenn sie ihm ihre Loyalität vorenthielten. Natürlich mußte es Kämpfe geben um der Tradition willen. Aber in Lord Hongs Herzen gab es einen Platz für Heerführer, die bereit waren, ihre eigenen Leute zu verraten.
    Den Feind kennen… Lord Hong hatte beschlossen, sich einen sehr würdigen Feind zuzulegen. Er ließ Bücher aus Ankh-Morpork kommen und sich über das Geschehen in der Stadt informieren. Es gab… Möglichkeiten. Spione brachten Nachrichten und Neuigkeiten. Derzeit wußte die Stadt noch nicht, daß sie Lord Hongs Feind war, und solche Feinde hielt er für besonders wünschenswert.
    Während er sich eingehender mit Ankh-Morpork befaßte, staunte er zuerst und empfand dann eine Mischung aus Faszination und Bewunderung.
    Dort hätte ich geboren sein sollen, dachte Hong, während er die anderen Mitglieder des Ruhigen Rates musterte. Mit jemandem wie Lord Vetinari Schach zu spielen… Zweifellos blickt er vor dem ersten Zug drei Stunden lang aufs Schachbrett…
    Er wandte sich an den Protokolleunuchen des Rates.
    »Können wir jetzt weitermachen?« fragte er.
    Der Mann beleckte seinen Pinsel. »Ich bin fast fertig, o Lord.«
    Lord Hong seufzte.
    Verdammte Kalligraphie! Sie mußte verändert werden! Wenn die Schriftsprache aus siebentausend Zeichen bestand, dauerte es einen ganzen Tag, ein aus dreizehn Silben bestehendes Gedicht über ein weißes Pony zu schreiben, das durch wilde Hyazinthen trabte. Daran gab es prinzipiell nichts auszusetzen, und entsprechende Gedichte konnte niemand besser schreiben – malen – als Lord Hong. Aber in Ankh-Morpork gab es ein Alphabet aus sechsundzwanzig einfachen, häßlichen Buchstaben, geeignet nur für Bauern und Handwerker. Trotzdem existierte dort eine Poesie, die heiße Spuren in der Seele hinterließ. Und die Buchstaben eigneten sich gut dafür, eine fünf Minuten lange Versammlung in weniger als einem Tag zu protokollieren.
    »Wie weit bist du?« fragte Lord Hong.
    Der Eunuch hüstelte höflich.
    »›Wie weich die Blüten der Apriko…‹«, begann er.
    »Ja, ja, ja«, sagte Lord Hong. »Wenn wir diesmal auf das poetische Drumherum verzichten könnten…«
    »Äh… ›Das Protokoll der letzten Sitzung wurde ordnungsgemäß unterschrieben.‹«
    »Das ist alles?«
    »Äh… Ich muß noch die Blütenblätter malen…«
    »Ich möchte diese Versammlung bis heute abend beenden. Geh jetzt.«
    Der Eunuch blickte sich furchtsam am Tisch um und griff nach Schriftrollen und Pinseln, bevor er hinauseilte.
    »Gut«, sagte Lord Hong. Er nickte den anderen Kriegsherrn zu, und ein besonders freundliches Lächeln schenkte er Lord Tang. Lord Hong hatte sich nicht ohne Faszination mit dem Gedanken befaßt, daß Tang ein ehrenvoller Mann war. Seine Ehre mochte schüchterner, verdrießlicher Natur sein, aber sie existierte und mußte berücksichtigt werden.
    »Es dürfte ohnehin besser sein, wenn wir ganz offen miteinander reden«, sagte er. »Und zwar über die Rebellen.

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