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Echt zauberhaft

Echt zauberhaft

Titel: Echt zauberhaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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entschloß sich zu einem Experiment. Der nächste vorbei-
    rumpelnde Karren beförderte keinen Schlamm, sondern ein halbes Dut-
    zend Menschen: Jeweils drei saßen zu beiden Seiten des großen zentralen
    Rads. Der sekundäre Antrieb bestand aus einem kleinen Segel, das die
    Kraft des Windes nutzen sol te. Das primäre Triebwerk, typisch für eine
    bäuerliche Gesel schaft, hatte die Form eines Urgroßvaters – bezie-
    hungsweise eines Mannes, der wie ein Urgroßvater aussah.
    »Hier gibt es Leute, die mit nur einem Napf Hirse und etwas Schleim
    im Magen einen Karren fünfzig Kilometer weit schieben«, hatte Cohen
    gesagt. »Was schließt du daraus? Ich schließe daraus, daß leckeres Fleisch auf anderen Tellern landet.«
    Rincewind entschied, die soziale Dynamik zu erforschen und gleichzei-
    tig seine Sprachkenntnisse auf die Probe zu stellen. Es war Jahre her, seit er zum letztenmal ausländisch gesprochen hatte, aber zumindest in einem Punkt mußte er Ridcul y recht geben: Was Sprachen anging, verfüg-
    te er über ein gewisses Talent. Achatisch bestand aus einigen wenigen
    Basissilben. Verschiedene Bedeutungen ergaben sich aus Aussprache,
    Betonung und Kontext. Das Wort für »militärischer Anführer« ge-

    * Genauer gesagt: Er hätte es als Dreiundsiebzigster zugegeben.
    brauchte man auch für »langschwänziges Murmeltier«, »männliches Ge-
    schlechtsorgan« und »alter Hühnerstal «.
    »He, ihr da!« rief Rincewind. »Äh… Bambus zu knicken? Ein Ausdruck
    für Mißbilligung? Äh… ich meine… Anhalten!«
    Der Karren hielt an, doch niemand sah auf. Die Leute blickten an Rin-
    cewind vorbei, um ihn herum oder auf seine Füße.
    »Euer Hochwürden befehlen?« fragte der Karrenschieber schließlich.
    Sein Tonfal deutete darauf hin, daß er in jedem Fal mit dem Schlimm-
    sten rechnete.
    Die nächsten Worte bedauerte Rincewind später sehr.
    Er sagte: »Gebt mir alle eure Nahrungsmittel und… widerwillige Hun-
    de, klar?«
    Die Leute warteten.
    »Mist. Ich meine… geordnete Käfer? Verschiedene Wasserfälle? Ach,
    ich meine… Geld.«
    Die Passagiere suchten in ihren Taschen. Der Karrenschieber näherte
    sich Rincewind mit gesenktem Haupt und hob den Hut. Er enthielt Reis,
    etwas getrockneten Fisch und ein sehr gefährlich wirkendes Ei. Außer-
    dem etwa ein Pfund Gold in großen runden Münzen.
    Rincewind starrte auf das gelbe Metal hinab.
    Auf dem Gegengewicht-Kontinent war Gold ebenso gewöhnlich wie
    Kupfer – soviel wußte man über diese Region. Es hatte einfach keinen
    Sinn, wenn Cohen versuchte, hier einen Schatz zu stehlen. Immerhin konnte er nur eine bestimmte Menge tragen. Er brauchte nur ein Bau-erndorf zu überfal en, um für den Rest seiner Tage wie ein König zu
    leben. Er brauchte ohnehin nicht viel, wenn man sich’s recht überlegte…
    Das Später erreichte Rincewind plötzlich, und er schämte sich sehr.
    Diese Leute besaßen nur wenig, abgesehen von jeder Menge Gold.
    »Äh… danke. Vielen Dank. Ja. Wol te nur was überprüfen. Ja. Ihr
    könnt den ganzen Kram jetzt zurückhaben. Ich… äh… behalte nur…
    die ältere Großmutter… seitwärts gehen… oh, Mist… den Fisch.«
    Wenn die Gesel schaft einen Haufen bildete, mußte man ganz unten
    nach Rincewind suchen. Es spielte keine Rol e, wie groß der Haufen war.
    Sein Gipfel mochte höher oder tiefer sein, unten blieb unten.
    Mit dem gesel schaftlichen Haufen von Ankh-Morpork kannte Rince-
    wind sich aus. In Ankh-Morpork verneigte sich niemand vor nieman-
    dem. Würde dort jemand ein derartiges Experiment versuchen… er fän-
    de sich im Rinnstein wieder, auf der Suche nach seinen Zähnen und mit
    heftigen Schmerzen im Unterleib, und sein Pferd wäre bereits zweimal
    neu gestrichen und Eigentum eines Mannes, der schwor, es schon seit
    Jahren zu besitzen.
    Dieser Umstand erfül te Rincewind mit seltsamem Stolz.
    Etwas Sonderbares wuchs aus den morastigen Tiefen seiner Seele. Er-
    staunt identifizierte er das Empfinden als einen Anflug von Großzügig-
    keit.
    Er rutschte von seinem Roß herunter und hob die Zügel. Zweifellos
    waren Pferde sehr nützliche Tiere, aber Rincewind war daran gewöhnt,
    al ein zurechtzukommen. Außerdem konnte ein Mensch über kurze Di-
    stanzen schneller laufen als ein Pferd – diesen Punkt vergaß Rincewind
    nie.
    »Hier«, sagte er. »Nehmt das Pferd. Für den Fisch.«
    Der Karrenschieber schrie, streckte die Hände nach den Griffen des
    Karrens aus und raste davon. Mehrere der Personen verloren

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