Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Echte Biester: Roman (German Edition)

Echte Biester: Roman (German Edition)

Titel: Echte Biester: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
Vom Netzwerk:
murmelte er vor sich hin.
    Raven Stark saß neben dem Regisseur an dem kleinen Esstisch in Dereks Wohnmobil. Vor ihnen lag eine Karte der Everglades.
    »Hast du schon einen Hubschrauber gemietet?«, rief Derek.
    »Steht ganz oben auf meiner Liste«, erwiderte Raven.
    Derek liebte es, wenn von einem Hubschrauber aus Luftaufnahmen von ihm gemacht wurden, weil das den Eindruck erweckte, er schlage sich ganz allein durch den Busch. Das Entscheidende war, einen Ort zu finden, wo nichts darauf hinwies, dass dort Menschen wohnten. Glücklicherweise gab es in den riesigen Everglades viele abgeschiedene Gebiete.
    »Wo ist das neue Drehbuch?«, wollte Derek wissen.
    »Da arbeiten die Autoren noch dran«, antwortete der Regisseur.
    »Morgen früh will ich den neuen Text haben. Verstanden?«
    Das Drehbuch wurde zum Teil umgeschrieben, um den »Alligatorangriff« ans Ende der Folge zu stellen. Da die Szene so kurz war, sollte sie mehrmals in Zeitlupe gezeigt und in die Länge gezogen werden, um damit die letzten zehn Minuten der Episode zu füllen.
    Für den ersten Abschnitt der Folge würde der Regisseur anderes Bildmaterial brauchen, das zeigte, wie Derek sich einen Weg durch das Schneidegras schlug, ein Lager errichtete, und natürlich auch, wie er sein Abendessen zubereitete, indem er irgendein unglückseliges Tier kochte.
    »Wie wär’s denn, wenn wir deine Auseinandersetzung mit der Schnappschildkröte verwenden?«, fragte der Regisseur. »Die ist eigentlich gar nicht so schlecht …«
    »Ich hab dir doch gesagt, du sollst das löschen!«, fuhr Derek ihn an.
    »Klar. Betrachte es als erledigt«, erwiderte der Regisseur, obwohl er nicht die Absicht hatte, die Szene mit der Schildkröte zu vernichten. Stattdessen würde er auch sie heimlich auf eine DVD mit Dereks spektakulärsten Schnitzern brennen, um das Ganze dann auf der jährlichen Abschlussparty des Teams von Expedition Überleben! vorzuführen, zu der Derek nie ging, weil er sich für zu wichtig hielt. Die DVD war stets der Höhepunkt des Abends. Selbst Raven lachte jedes Mal Tränen.
    Jetzt lachte sie allerdings nicht, sondern studierte die Karte der Everglades und suchte verzweifelt nach einem Drehort.
    Zunächst hatten die Miccosukee, ein Indianerstamm, sich bereit erklärt, dem TV-Team eine ihrer Siedlungen am Tamiami Trail als Hauptquartier zur Verfügung zu stellen. Leider hatte der Rechtsanwalt des Stammes Raven gerade mitgeteilt, dass Mr. Badger nicht mehr willkommen sei.
    »Wegen des Vorfalls bei den Navajos«, hatte der Rechtsanwalt in verschnupftem Ton erklärt. »Das haben wir im Internet herausgefunden.«
    Woraufhin Raven peinlich berührt das Gesicht verzogen hatte.
    Bei Aufnahmen in New Mexico hatte Derek in seiner Hirnlosigkeit eine uralte Zeremonialpfeife der Navajos dazu benutzt, sich eine juckende Stelle am Rücken zu kratzen. Das heilige Relikt war in drei Teile zerbrochen, und die aufgebrachten Indianer hatten Derek aus dem Reservat gewiesen und ihm verboten, es je wieder zu betreten.
    Und somit suchte Raven jetzt, kurz vor Beginn der Dreharbeiten, nach einem neuen Ort in den Everglades, wo sie ihr Hauptquartier aufschlagen konnten.
    Der Regisseur tippte mit dem Finger auf die Karte. »Wie wär’s denn hier unten mit Flamingo?«
    Raven runzelte die Stirn. »Das liegt im Nationalpark.«
    »Na und? Ruf doch einfach mal an.«
    »Ich glaube, bei denen stehen wir auf der schwarzen Liste.«
    »Das kann doch nicht dein Ernst sein«, sagte der Regisseur. »Wegen des Vorfalls im Yellowstone? Meine Güte, das ist drei oder vier Jahre her.«
    »War nicht meine Schuld!«, krähte Derek. »Ich wusste ja nicht, dass das ein beknacktes Adlernest war.«
    Das stimmte nicht. Jeder am Set hatte ihn darauf hingewiesen, dass es ein Adlernest war. Bevor er die alte Pappel hochgeklettert war, hatte er seine Helmkamera aufgesetzt und auf diese Weise dafür gesorgt, dass das ganze idiotische Vergehen dokumentiert wurde. Die Sache wurde zum Fiasko, als ein Parkaufseher auftauchte und Derek das Adlerei wegnahm, das dieser aus dem Nest geholt hatte. So kam der Überlebenskünstler zwar einerseits um ein schmackhaftes Omelett zum Frühstück, andererseits blieb ihm dadurch aber vermutlich eine Gefängnisstrafe erspart.
    Wegen dieses Übergriffs auf eine offiziell geschützte Tierart war Derek eine Strafe von zehntausend Dollar aufgebrummt worden, die die Produzenten von Expedition Überleben! in aller Eile bezahlten. Wundersamerweise war die Geschichte nie den Medien

Weitere Kostenlose Bücher