Echte Biester: Roman (German Edition)
Telefon hat sie gesagt, sie wär auf Aruba«, fuhr der Mann fort, »um Listen von Faltern und Schmetterlingen aufzustellen. Ich soll mir keine Sorgen machen, hat sie gesagt, und sie wär von irgendwelchen Zirkusleuten auf dem Segelboot mitgenommen worden.«
»Aruba?« Sickler lachte. »Ist ja ’ne irre Geschichte.«
»Die Sache ist die, dass ich auf meinem Handy Anruferkennung habe. Deshalb weiß ich mit Sicherheit, dass sie hier war.«
Na toll , dachte Sickler.
»Ich hab Ihre Adresse im Internet rausgesucht und bin hergekommen.«
Sickler hatte nicht die Absicht zuzugeben, dass er das Mädchen kannte oder dass er ihr zwei Dollar abgeknöpft hatte, um das Telefon in seinem Büro zu benutzen. »Wann hat sie denn angerufen?«
»Vor einer Stunde«, erwiderte der Fremde und sah auf seine Armbanduhr. »Vor einer Stunde und elf Minuten, wenn Sie’s ganz genau wissen wollen.«
»Tja …« Sickler zuckte die Achseln. »Da war ich gar nicht hier, sondern drüben in Naples. Aber ich werd mal die Frau fragen, die in solchen Fällen immer auf den Laden aufpasst, ob sie das Mädchen gesehen hat. Mehr kann ich nicht für Sie tun.«
»Ich lasse Ihnen ihr Bild hier«, sagte der Mann. »Hey, ist das Ihr Bus da draußen? Das große schwarze Ding mit den getönten Scheiben, meine ich.«
»Klar«, log Sickler.
»Super. Wie viel mussten Sie denn dafür berappen?«
»’ne ganze Menge.«
»Ich hab ’nen Winnebago Chieftain, der aber schon bessere Tage gesehen hat. Glücklicherweise brauch ich keine weiten Strecken damit zu fahren.«
»Darf ich Sie mal was fragen?«, sagte Sickler.
»Klar.«
»Warum sollte dieses Mädchen …«
»Meine Tochter«, warf der Fremde ein.
»Warum sollte sie behaupten, sie ist auf Aruba, wenn das gar nicht stimmt? Warum zum Teufel sollte sie ihren Daddy anlügen?«
Der Mann trank sein Bier aus, rülpste und steuerte auf die Tür zu. »Das ist ’ne lange Geschichte«, sagte er.
Glaub ich gern , dachte Sickler.
18
Den ganzen Nachmittag versuchten sie vergeblich, Derek Badger zu finden. Der Hubschrauber musste nach kurzer Zeit die Suche einstellen, weil es technische Probleme mit etwas gab, das sich Verstellhebel nannte. Als die Boote bei Sonnenuntergang zu Sicklers Anlegestelle zurückkehrten, waren alle in gedrückter Stimmung.
Im Gegensatz zu dem, was man den Fernsehzuschauern vormachte, war es in der gesamten Geschichte von Expedition Überleben! noch nie vorgekommen, dass Derek sich verirrt hatte. Er blieb immer in der Nähe des Catering-Büfetts
Raven bezweifelte stark, dass der sogenannte Überlebenskünstler in den Everglades sehr lange durchhalten würde, wenn er ganz auf sich gestellt war. Derek zeichnete sich nicht gerade durch gesunden Menschenverstand aus, sodass es nur eine Frage der Zeit war, bis er versehentlich eine giftige Beere aß oder auf eine tödliche Mokassinschlange trat.
Wenn ihn nicht schon die Tollwut befallen hatte.
»Sie sind doch der Experte«, sagte Raven in scharfem Ton zu Mickey Cray. »Haben Sie irgendeine zündende Idee?«
»Ja. Morgen versuchen wir’s wieder.«
Der Regisseur blickte von seinem iPhone auf. »Mist. Laut Wettervorhersage gibt es noch mehr Regen.«
»Dann werden wir eben nass«, erwiderte Mickey.
Raven warf die Arme in die Höhe. »Ist das wirklich Ihr ganzer Plan? Dass wir nass werden?«
»Das Gebiet da draußen ist riesig, Lady. Außerdem suchen wir nach einem Strohkopf, der nicht gefunden werden will.«
»Aber das ist doch lächerlich! Warum sollte Derek sich denn verstecken?«
»Keine Ahnung. Bei Tieren kann ich mir immer ihr Verhalten erklären. Aber bei Leuten wie ihm habe ich nicht den blassesten Schimmer, was in ihrem Winzhirn vor sich geht.«
Link, der den ganzen Tag kaum ein Wort gesprochen hatte, schockierte die anderen, als er sagte: »Wenn dieser Kerl mein Boot kaputt macht, brech ich ihm alle Knochen.« Zur Veranschaulichung zerbrach er einen Ast über seinem Knie.
Raven berief eine Sitzung in Dereks Wohnmobil ein, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Mickey wies Wahoo und Tuna an, schon mal die Zelte aufzustellen.
Sie suchten sich einen freien Platz am Rande von Sicklers Grundstück, wo einige Picknicktische standen. Dort gab es massenhaft Moskitos, die hemmungslos über sie herfielen, um sie an all den Stellen zu stechen, die nicht mit Insektenspray eingesprüht waren – in die Augenlider, die Ohrläppchen und die Achselhöhlen. Tuna und Wahoo klatschten sich in einem fort ins Gesicht, sodass ihre Wangen sich
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