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Echte Biester: Roman (German Edition)

Echte Biester: Roman (German Edition)

Titel: Echte Biester: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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eingelassen waren – sein Dad hatte ihm erzählt, dass man pro Kilometer zweitausend Schwellen brauchte, was Wahoo aber nicht glaubte.
    Er ging ganz langsam, um sicherzustellen, dass er jede Schwelle mitzählte, und sagte die jeweilige Zahl laut vor sich hin. Bei 104 begannen die Schienen zu summen. Wahoo drehte sich um.
    Ein Güterzug, der von einer schmutzigen blauen Lokomotive gezogen wurde, kam auf ihn zugerast.
    In Hollywoodfilmen stoßen Lokomotiven immer einen langen Pfiff aus, wenn sich weiter vorn auf den Schienen etwas tut. Das war hier jedoch nicht der Fall. Da Wahoo nicht sehr groß war, hatte ihn der Lokführer möglicherweise nicht gesehen.
    Die Zeit kroch dahin. Eigentlich hätte Wahoo Angst haben müssen, aber die hatte er nicht. Er stand stocksteif da und spürte das Donnern des Zugs in den Sohlen. Obwohl der Zug mit unverminderter Geschwindigkeit auf ihn zuraste, waren Wahoos Beine wie gelähmt. Später erzählte ihm sein Vater, dass die Lokomotive mit neunzig Stundenkilometern gefahren war. Das glaubte Wahoo.
    Als die Lokomotive näher kam, fingen die Schienen buchstäblich an zu vibrieren. Ihr Scheinwerfer sah aus wie ein lodernder weißer Augapfel. Als ihm nur noch Sekunden blieben, erwachte Wahoo aus seiner Trance und sprang von den Schienen.
    Woran er sich am deutlichsten erinnerte, war das unglaublich laute, zischende Geräusch, als all die Kohlewagen, Tankwagen, Flachwaggons und Güterwagen an ihm vorüberbrausten. Er hielt sich die Ohren zu, aber das brachte nicht viel. Danach wachte er immer wieder mitten in der Nacht auf, weil er das entsetzliche Geräusch des Zugs zu hören meinte.
    Schlagartig stellten sich die Empfindungen von damals wieder bei ihm ein. Tuna kauerte neben ihm, vor ihm lag Link. Trotz des böigen Winds und des zischenden Regens konnte er hören, dass ein Sumpfboot in ihre Richtung gerast kam.
    Der Fahrer dieses Boots muss verrückt sein , dachte Wahoo.
    Ihr eigenes Sumpfboot war zwischen hohes Schneidegras getrieben, was es noch schwieriger machte, sie zu entdecken. Wahoo befürchtete, dass es versehentlich zu einem Zusammenstoß kommen könnte.
    Die Möglichkeiten, die er hatte, waren begrenzt. Eine bestand darin, auf den Sicherheitskäfig des Propellers zu klettern und zu hoffen, dass die Leute in dem anderen Boot ihn rechtzeitig sehen würden – obwohl das riskant war, wenn es blitzte, da der erhöhte Metallkäfig Elektrizität magnetisch anzog.
    Trotzdem musste Wahoo Hilfe herbeiholen, das wusste er. Link brauchte dringend einen Arzt, und bis wieder ein Boot vorbeikam, konnten Stunden oder sogar Tage vergehen.
    »Leg dich hin«, sagte er zu Tuna, »für den Fall, dass sie uns rammen.«
    Sie streckte sich neben Link aus. »Und was ist mit dir?«, rief sie zu Wahoo hoch.
    »Bleib einfach liegen«, erwiderte er und kletterte flink wie ein Affe auf den Sicherheitskäfig.
    Dort stemmte er sich gegen den Wind und machte sich so groß wie nur möglich. Um nicht die Balance zu verlieren, zwängte er die Kappen seiner nassen Turnschuhe zwischen das Drahtgitter. Er hoffte, dass seine blaue Regenjacke sich gut sichtbar von dem braunen Gras ringsum abheben würde.
    Obwohl Wahoo das andere Sumpfboot immer noch nicht sehen konnte, wusste er, dass es ganz in der Nähe sein musste, weil das Knattern des Motors deutlich zu hören war. Als der Lärm immer lauter wurde, befiel ihn dieselbe pulsierende Spannung wie damals auf den Schienen. Bloß dass er diesmal nicht starr dastehen würde.
    Ein violetter Blitz zerriss die Wolken, gefolgt von einem Donnerschlag, der ihn ins Wanken brachte.
    »Komm runter, du Blödmann!«, brüllte Tuna.
    »Nein!« Wahoo konzentrierte sich auf das Geräusch des Motors und spähte angestrengt in den Regen, jederzeit bereit, lauthals zu schreien.
    Ein leuchtend grünes Sumpfboot schoss aus dem Dunst heraus und raste etwa dreißig Meter entfernt an Wahoo vorbei. Das Gute war, dass es zu keinem Zusammenstoß kommen würde. Das Schlechte war, dass die zwei Männer an Bord in die falsche Richtung blickten.
    Wahoo fing an zu winken und zu rufen – und hielt abrupt inne.
    Er sprang so schnell vom Käfig, dass seine Schuhe im Drahtgitter stecken blieben. Dann presste er sich flach aufs Deck und bewegte sich erst wieder, als das andere Boot verschwunden und aus der Ferne nur noch ein leises Tuckern zu hören war.
    »Was ist denn los?«, fragte Tuna.
    »Wir müssen ihn unbedingt wach kriegen.« Wahoo rüttelte Link an der Schulter. »Ich weiß nicht, wie man mit

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