Echte Biester: Roman (German Edition)
ab und nickte. Es war in der Tat gefährlich, sich während eines heftigen Unwetters ungeschützt in offenem Sumpfgelände aufzuhalten. Das konnte jederzeit dazu führen, dass sie alle verbrutzelten.
Der nächste Blitz ging mit einem Donnerschlag einher, der sich anhörte wie eine Bombenexplosion. Tuna schrie erschrocken auf und Wahoo trat aufs Gaspedal.
»Wir müssen vom Wasser runter!«, schrie er.
Obwohl kurz darauf der Motor versagte, weil sich der Kolben festgefressen hatte, schafften sie es, eine Bauminsel zu erreichen. Langsam trieb das Sumpfboot im prasselnden Regen ans Ufer.
Wenige Minuten später kauerten alle drei unter einer Öltuchplane, die Link in einem Kasten unter den Sitzen gefunden hatte. Glücklicherweise waren sie auf dem Teil der Insel gelandet, wo nur niedrige Büsche wuchsen, während am anderen Ende der Bauminsel zehn Meter hohe Zypressen standen, die Blitze anziehen konnten.
»So was Blödes, dass ich den Motor hab absaufen lassen«, sagte Wahoo bedrückt.
»War nich’ deine Schuld«, murmelte Link. »Dieser Bradley Jumper, der kümmert sich nich’ richtig um sein Boot.«
»Haben Sie ein Handy dabei?«
Sie waren zwar weit von einem Mobilfunkmast entfernt, aber versuchen konnte man es ja mal. Link kramte in einer Hosentasche herum und holte ein Klapphandy heraus, das jedoch mit Wasser vollgelaufen und somit nutzlos war.
Tuna betrachtete das Handy mit düsterer Miene. »Sind Sie wenigstens versichert?«, fragte sie.
Link zitterte am ganzen Leib. Er hatte kein Shirt mehr und seine Hosen waren klatschnass. Wahoo zog die blaue Regenjacke aus. »Hier, ziehen Sie das an«, sagte er.
Die Jacke war zwar viel zu eng und die Ärmel zu kurz, aber besser als gar nichts. Bevor Link sie überzog, griff er nach hinten und betastete den Verband, den Wahoo über die Schusswunde geklebt hatte.
Dann drehte er sich langsam zu Tuna. »Warum hat’n dein Dad versucht, mich umzubringen?«
»Das wollte er nicht, Link. Er hat in der Gegend rumgeballert, weil er völlig durchgeknallt ist.«
Dann fügte sie in traurigem Ton hinzu: »Er hat mir hoch und heilig versichert, dass er diese blöde Pistole ins Pfandhaus bringt. Aber da hat er mich auch angelogen.«
Wahoo sah wieder vor sich, wie Jared Gordon im Sumpfboot seinem Vater den Revolver in den Nacken gepresst hatte. Der Typ war zweifellos gemeingefährlich.
Seit er den Leguan auf den Kopf bekommen hatte, war Mickey Cray nicht mehr so unverwüstlich wie früher. Wenn seine rasenden Kopfschmerzen sich wieder einstellten, konnte das seine Reflexe schwächen – und sein Urteilsvermögen. Und wenn er wieder alles doppelt sah, baute er mit dem Boot möglicherweise einen Unfall.
Wahoo versuchte, nicht weiter darüber nachzudenken, wie schlimm alles enden könnte. Er wusste, dass die Wahrscheinlichkeit, seinen Vater einzuholen, bevor ein Unglück geschah, extrem gering war.
»Ich krieg so schlecht Luft«, sagte Link.
Bei jedem Atemzug hörten sie ein Rasseln in seiner Brust. Wahoo überlegte, ob ein Kugelsplitter die Lunge verletzt haben könnte. Falls ja, mussten sie, sobald das Wetter besser wurde, schnellstens zu Sicklers Laden zurückkehren, damit Link ins Krankenhaus kam.
Und sie mussten Mickey Cray allein im Sumpf zurücklassen – allein mit Tunas durchgeknalltem Vater.
»Guck doch mal«, sagte Tuna und pflückte eine braun gestreifte Schnecke von einem Busch. »Wie hübsch! Eine Liguus fasciatus .«
Trotz allem musste Wahoo lächeln. »Du bist unmöglich, Lucille.«
Der Wind zerrte an der Öltuchplane, auf die unablässig der Regen trommelte. Als ein weiterer Donnerschlag krachte, zuckten sie alle gleichzeitig zusammen.
»Ich bet jetzt«, stieß Link keuchend hervor.
Tuna tätschelte ihm den Arm. »Gute Idee«, sagte sie.
22
Raven Stark wunderte sich manchmal selbst über ihre Loyalität gegenüber Derek Badger, der sie ständig herumkommandierte und ihre Arbeit in keiner Weise zu schätzen wusste. Doch sie hatte viel Teamgeist und war stolz auf den Erfolg von Expedition Überleben! . So nervig und kindisch Derek auch sein mochte – er war immer noch der Star, für den sie die Verantwortung trug.
»Nie von dem gehört«, sagte der Polizeisergeant, der Ramirez hieß.
»Im Ernst?«, fragte Raven.
»Ich guck kein Kinderfernsehen.«
»Das ist kein Kinderfernsehen. Siebenundfünfzig Prozent unserer Zuschauer sind Erwachsene!«
Sie saßen in Dereks Wohnmobil, tranken Kaffee und hofften, dass sich das Wetter bessern würde, damit eine
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