Echte Biester: Roman (German Edition)
richtige Suche eingeleitet werden konnte. Je mehr Zeit verging, desto unruhiger wurde Raven.
»Ich verstehe ja, dass Sie besorgt sind«, sagte Sergeant Ramirez, »aber da draußen läuft ein Gewalttäter herum, der mindestens eine Geisel genommen hat. Wir müssen den Kerl erwischen, bevor jemand zu Schaden kommt. Das hat höchste Priorität.«
Im Grunde wusste Raven, dass der Polizist recht hatte. Derek war aus freien Stücken weggelaufen, während Mickey Cray gegen seinen Willen entführt worden war. Und diese beiden Kinder – was, wenn der Entführer sie sich ebenfalls schnappte?
Was für ein Desaster! , dachte Raven.
Die Dreharbeiten waren völlig aus dem Ruder gelaufen. Die Realität hatte der Realityshow einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Fünf Minuten nach der Polizei war das Team eines regionalen Nachrichtensenders aufgekreuzt und spätestens morgen würde eine ganze Armee von Reportern vor Sicklers Laden campieren. Der Regisseur und die Kameraleute schlossen makabere Wetten darüber ab, wie lange es wohl dauern würde, bis man Dereks Leiche fand. Was schiefgehen konnte, war schiefgegangen.
Ravens Boss in Kalifornien schien sich jedoch keine allzu großen Sorgen wegen Dereks Verschwinden zu machen. So war das eben im Showgeschäft. Jeder – und sei er noch so berühmt – war ersetzbar. Raven wusste nur zu gut, wie unbarmherzig die Regeln in diesem Metier waren.
Seit sie ihren Vertrag für Expedition Überleben! unterschrieben hatte, hoffte sie, sich eines Tages zur TV-Produzentin hocharbeiten zu können. Jetzt würde dieser Traum wahrscheinlich nie in Erfüllung gehen, weil Derek wieder einmal für Chaos gesorgt hatte. Dabei hatte überhaupt nicht im Drehbuch gestanden, dass er eine Fledermaus essen sollte!
Zum Teil gab Raven sich selbst die Schuld an diesem Fiasko. Schließlich kannte sie Derek besser als jeder andere und wusste, dass der Mann alles tun würde, um sein Publikum zu schockieren und seine vermeintliche Furchtlosigkeit unter Beweis zu stellen.
In Wirklichkeit war es kein allzu schwerer Schlag für Raven, dass sie die Chance, Produzentin zu werden, verspielt hatte. Den ganzen Tag in einem Büro zu hocken, ständig an Besprechungen teilzunehmen und endlose Telefonate zu führen – das kam ihr plötzlich nicht mehr sonderlich reizvoll vor.
Einen Egomanen wie Derek zu verhätscheln, war zwar harte Arbeit, doch dafür hatte Raven die Möglichkeit, in exotische Länder zu reisen und in der freien Natur zu arbeiten, was sie sehr genoss. Vielleicht würde sie ja bei einem anderen Sender einen ähnlichen Job bekommen.
»Diesen Jared Gordon«, sagte der Sergeant, »den haben wir vor einem Jahr wegen Trunkenheit am Steuer festgenommen. Als er auf einen unserer Beamten losging, mussten wir ihn mit dem Elektroschocker ruhigstellen.«
»Seine Tochter hatte ein blaues Auge, als sie hier ankam«, erwiderte Raven. »Ich glaube, sie ist vor ihm geflohen.«
»Die Zeugen haben ausgesagt, dass er nach Bier stank«, stellte Sergeant Ramirez fest. »Außerdem hat er einen Zwölferpack aus Mr. Sicklers Laden gestohlen. Alkohol und Schusswaffen – eine üble Mischung.«
Von Zeit zu Zeit spähte der Sergeant aus dem Fenster, um nachzusehen, ob der Regen endlich aufhörte. »Sobald das Wetter besser wird, schicken wir den Hubschrauber los«, sagte er. »Wer weiß, vielleicht stoßen sie ja auf Mr. Beaver, während sie nach den anderen suchen.«
»Er heißt Badger«, sagte Raven.
»Ich hab noch nie einen Überlebenskünstler kennengelernt. Wie wird man denn so was?«
Raven lächelte matt. »Zunächst mal braucht man eine Fernsehserie.«
Je länger sie darüber nachdachte, desto mehr schämte sie sich, dass sie der Polizei zu verstehen gegeben hatte, es sei dringender, Derek zu finden, als den gefährlichen Jared Gordon einzufangen.
»Was wissen Sie über die Geisel?«, fragte Sergeant Ramirez.
»Machen Sie sich selbst ein Bild!«, erwiderte Raven, schob eine Disc in den DVD-Player und spielte ihm die Aufnahme von Dereks Auseinandersetzung mit Alice vor.
Der Sergeant war fasziniert. »Wer ist denn der dickliche Typ mit dem orangefarbenen Haar?«
»Das ist Mr. Badger.«
»Und der Verrückte, der ins Wasser springt, um ihn zu retten?«
»Das ist Mr. Cray. Der von Gordon entführt wurde.«
Sergeant Ramirez zog eine Augenbraue hoch. »Darf ich das Video noch mal sehen?«
Sie ließen die Alligatorszene noch zweimal durchlaufen. Hinterher sagte Sergeant Ramirez: »Wow! Dieser Cray hat
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