Echte Biester: Roman (German Edition)
überhaupt keine Angst.«
»Ein ungewöhnlicher Mensch«, bestätigte Raven.
Der Sergeant stellte seine Kaffeetasse auf den Tisch. »Könnte wetten, dass Jared Gordon mit dem kein leichtes Spiel hat. Was meinen Sie?«
Nachdem das Sumpfboot durch die Luft gesegelt war, landete es kieloben im Schlamm. Mickey Cray wurde ins Schilf geschleudert, das ein natürliches Kissen bildete und den Aufprall abmilderte. Überraschenderweise tat ihm weder der Kopf weh, noch sah er alles doppelt.
Als er das Boot erblickte, war er überzeugt, dass Tunas Vater tot oder zumindest schwer verletzt war, doch da irrte er sich. Jared Gordon kam unter dem Boot hervorgekrochen und richtete den Revolver auf Mickey.
»Keine Bewegung!«
»Bin ja ganz brav.«
»Kommen Sie her und holen Sie das Bier raus!«
Jared Gordon war ein Vorderzahn abgebrochen, ansonsten schien er unverletzt. Der Ledergürtel, mit dem er sich am Fahrersitz festgeschnallt hatte, hatte verhindert, dass er unter das Boot gerutscht und zerquetscht worden war. Es verblüffte Mickey, dass der Mann es geschafft hatte, seine Waffe festzuhalten.
»Los, gehen wir!«, schnauzte Jared Gordon.
»Immer mit der Ruhe.«
Sie machten sich auf den Weg, um nach einer Erhebung im Gelände zu suchen. Mickey ging, mit dem Bier bepackt, voran. Über ihnen blitzte und donnerte es in einem fort.
Der Schlamm war so zäh, dass er ihnen die Schuhe von den Füßen saugte. Jared Gordon geriet ins Wanken, fluchte und schleppte sich weiter. Mickey lauerte auf eine Gelegenheit, ihm den Revolver zu entreißen, doch leider ging Jared Gordon nicht ein einziges Mal zu Boden.
Nach einer Stunde hörte es auf zu blitzen und der peitschende Regen ließ nach. Als sie zu einem mit Bäumen bewachsenen Hügel kamen, bestand Tunas Vater darauf haltzumachen, »um einen Schluck zu nehmen«.
Mickey gab ihm ein Bier, das er hastig in sich hineinkippte. Nachdem er noch eins verlangt hatte, fragte er: »Und was jetzt?«
»Jetzt warten wir.«
»Worauf?«
»Auf Hilfe.«
»Ich brauch keine Hilfe«, sagte Jared Gordon. »Ich will mein kleines Mädchen finden.«
»Können Sie über Wasser gehen?«
»Was reden Sie denn da für’n Scheiß? ’türlich nicht.«
»Ich auch nicht«, erwiderte Mickey. »Was heißt, dass wir hier festsitzen.«
Tunas Vater schwenkte drohend den Revolver hin und her. »O nein, tun wir nicht.«
»Erwarten Sie vielleicht von mir, dass ich Sie durch den Schlamm trage? Wie ein Baby?«
»Wenn’s nötig ist.«
»Das können Sie sich abschminken, Amigo.«
»Hä?« Allmählich dämmerte es Jared Gordon, dass sein Gefangener keine allzu große Angst vor ihm hatte, obwohl er ihn mit einer geladenen Waffe bedrohte.
»Ohne mich finden Sie nie hier raus«, erklärte Mickey. »Sie werden ganz schlicht und einfach in diesem Sumpf abkratzen, wenn Sie allein sind, das können Sie mir glauben.«
Selbst an guten Tagen funktionierte Jared Gordons Gehirn nicht gerade wie eine perfekt geölte Maschine. Und heute war kein guter, sondern ein beschissener Tag. Er beschloss, Mickey Cray zu zeigen, dass er es ernst meinte.
»Legen Sie sich hin. Auf den Bauch«, befahl er.
»Wieso das?«
»Los, machen Sie schon.«
Mickey hatte ausgiebig darüber nachgedacht, wie er sich verhalten sollte. Seine Hauptaufgabe bestand darin zu verhindern, dass Jared Gordon Tuna und Wahoo fand. Aus diesem Grund konnte Mickey es sich nicht leisten, etwas Unbedachtes zu tun und erschossen zu werden. Bis die Polizei eintraf, war er der Einzige, der Jared Gordon von den zwei Kindern fernhalten konnte.
Deshalb gehorchte er, legte sich in das nasse Gras und stellte sich darauf ein, sich schnell wegzurollen, falls der Mann auf ihn schießen sollte.
Doch Jared Gordon wandte sich von ihm ab.
»Passen Sie mal auf«, sagte er und zielte mit dem Revolver auf einen großen weißen Reiher, der mitten im Schilf stand.
Mickey hob den Kopf. »Hey, lassen Sie das. Ich fang uns lieber ein paar Fische.«
»Ha! Hier geht’s nicht um Essen.«
Mickey musste sich mit aller Gewalt zusammenreißen, um nicht aufzuspringen, als Jared Gordon den Reiher anvisierte. Reiher waren wunderbare Vögel, die sich voller Raffinesse und Eleganz an ihre Beute im Wasser anpirschten. Manchmal kam ein neugieriges junges Reihermännchen zum Teich hinter dem Haus der Crays. Wahoo hatte ihm den Namen Harry gegeben.
»Was wollen Sie denn damit beweisen?«, fragte Mickey.
»Halten Sie die Klappe.« Tunas Vater drückte ab, ein Schuss knallte.
Der weiße Reiher
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