Echte Biester: Roman (German Edition)
mit Pseudomedikamenten beseitigen ließen, beunruhigte Wahoo. »Dann haben also unsere Dads beide nicht alle Tassen im Schrank«, schlussfolgerte er bedrückt.
»Red keinen Unsinn«, sagte Tuna in scharfem Ton. »Die haben überhaupt nichts gemeinsam.«
Da hatte sie recht. »Ich seh lieber mal nach, wie es Link geht«, sagte Wahoo. »Ist es okay, wenn ich dich mit Dracula junior allein lasse?«
»Klar.« Sie bekreuzigte sich. »Geh ruhig.«
Leise schlich Wahoo durch den Wald und machte alle paar Schritte halt, um zu lauschen. Von den Stimmen war nichts mehr zu hören. Entweder die Männer hatten eine andere Richtung eingeschlagen oder der Wind hatte gedreht. Da sein Vater nicht da war, fühlte Wahoo sich für die Sicherheit von allen, die sich auf der Insel befanden, verantwortlich – für die von Derek, von Link und besonders für die von Tuna. Es war eine neue Erfahrung, nicht mehr im Schatten Mickeys zu stehen. Jetzt, da Wahoo selbst alle Entscheidungen treffen musste, sahen sie Dinge ein bisschen anders aus als sonst. Verlass dich auf deinen Instinkt, hätte sein Dad gesagt.
Link befand sich noch da, wo die Kinder ihn zurückgelassen hatten. Er hatte sich aufgesetzt und sich Wahoos Regenjacke über die Knie gelegt.
»Hab versucht zu gehn«, sagte er. »Hat nich’ geklappt.«
Er sah fix und fertig aus und atmete immer noch schwer. »Haste was zu essen?«, fragte er.
Wahoo hatte einen halben Müsliriegel dabei, den er Link gab. »Ich hab gute Neuigkeiten«, sagte Wahoo. »Wir haben Ihr Sumpfboot gefunden.«
»Kaputt?«
»Nein. Erstaunlicherweise hat Derek es nicht zu Schrott gefahren.«
»’n echtes Wunder«, stellte Link erleichtert fest.
Wahoo war froh, dass das Wetter allmählich besser wurde. Zwischen den Wolken war hier und da schon blauer Himmel zu sehen.
»Haben Sie vorhin die Schüsse gehört?«, fragte er Link.
»Ja. Die waren weit weg.«
»Männerstimmen waren auch zu hören.«
Link schüttelte den Kopf. »Ich hab nur ’ne Eule gehört.«
Vorsichtig zog Wahoo einen Teil des Verbands auf Links Rücken ab. Die Wunde sah ziemlich sauber aus und hatte nicht mehr geblutet.
»Tut’s immer noch weh, wenn Sie Luft holen?«
»Ja.«
»Mehr als vorher?«
»’n bisschen.«
Wahoo war sich so gut wie sicher, dass Links Lunge getroffen worden war. Es war schockierend, dass ein kleines Stück Blei solch einen Bullen von Mann ausknocken konnte.
»Halten Sie durch«, sagte Wahoo. »Wir bringen Sie bald ins Krankenhaus.«
»Wie weit isses bis zu meinem Boot?«
»Zu weit für Sie. Bleiben Sie hier und ruhen Sie sich aus.«
Link schnappte nach Luft. »Was is’ mit dem Typ, der auf mich geschossen hat? Dem Alten von dem Mädchen.«
»Den wird sicher die Polizei erwischen, sodass er bald im Gefängnis sitzt.«
»Im Gefängnis?« Link grunzte. »Is’ das alles?«
»Darf ich Sie mal was fragen?«, sagte Wahoo.
»Denke schon.«
»Ich weiß, dass Sie meinen Dad nicht mögen, und das ist okay. Er kann nämlich ganz schön nervig sein. Aber als Sie neulich direkt auf ihn zugefahren sind, als er im Wasser war …«
Link stieß ein Kichern aus, das in Husten überging. »Mann, ich wollt’ ihm doch bloß ’nen Schreck einjagen. Meinste, ich wollt’ ihn wirklich überfahren? Dann hätt’ mein Boot ja ’ne Delle bekommen. Gar nich’ dran zu denken.«
»Tuna und ich hatten jedenfalls den Eindruck, dass Sie ihn überfahren wollten«, sagte Wahoo.
»Dein Dad aber nich’. Der hatte kein bisschen Angst.«
Wahoo musste lächeln. »Rühren Sie sich nicht von der Stelle. Ich komm bald wieder.«
»Du bist doch noch ’n Kind. Was willste denn jetzt machen?«
»Uns alle von hier wegbringen.«
Link kicherte von Neuem. »Hier, zieh deine Jacke an. Die passt mir sowieso nich’.«
»Pst!« Wahoo hob den Zeigefinger. »Hören Sie das auch?«
»Klar.«
»Sumpfboote! Und zwar mehrere!«
Links Augen leuchteten hoffnungsvoll auf.
»Wenn ich du wäre«, sagte er zu Wahoo, »würd ich ganz schnell ’n großes Feuer anmachen.«
Mickey Crays Problem war – und er wäre der Erste gewesen, der das zugegeben hätte –, dass er kein sonderlich geselliger Mensch war. Er hatte lieber mit Tieren zu tun als mit Menschen (ausgenommen seine Familie, die er ohne jede Einschränkung liebte).
Da er so wenig Umgang mit anderen Menschen hatte, fiel es Mickey schwer, sich passiv zu verhalten, wenn die Umstände nach Taten zu schreien schienen. Seine Arbeit als Tiertrainer hatte ihn gelehrt, instinktiv zu reagieren
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