Echte Biester: Roman (German Edition)
und du hast ihm gerade wieder eine verpasst.«
Jared Gordon sah sie finster an. »Trotzdem kann er das beknackte Boot lenken. Dann muss er eben langsam fahren.«
»Soll das ein Witz sein?«, entgegnete Wahoos Vater. »Mir platzt gleich der Schädel.«
»Soll ich Ihnen ’ne Kugel reinjagen? Dann platzt er wirklich.«
Mickey zuckte die Achseln. »Kann auch nicht viel schlimmer sein als jetzt.«
Tuna mischte sich wieder ein. »Daddy, warte doch ab, bis er wieder richtig sehen kann. Dann kann er uns zum Highway bringen.«
Wahoo wusste, dass sie Zeit schinden wollte, was klug von ihr war. Wenn es erst einmal dunkel war, konnte Mickey mit dem Boot ziellos im Kreis herumfahren, ohne dass Jared Gordon es bemerken würde.
»Hey, ich hab ’ne Idee.« Jared Gordon trat seiner Tochter mit dem Knie in den Rücken. »Gib ihm mal ein paar von deinen pinkfarbenen Zauberpillen.«
Tuna rührte sich nicht, sondern sah Mickey an, der sagte: »Klar. Warum nicht?«
Es waren noch vier Tabletten übrig, die Wahoos Dad ohne Flüssigkeit runterschluckte. Jared Gordon schleuderte den Flipflop ins Gebüsch und ließ sich auf die Erde plumpsen, um die Wirkung der Tabletten abzuwarten.
»Ich kann immer noch nich’ glauben, dass du einfach so weggelaufen bist«, sagte er zu Tuna. »Is’ das der Dank für alles, was ich für dich getan hab? Dass du dich einfach so fortschleichst?«
Die Antwort des Mädchens war so leise, dass Wahoo sie nicht verstehen konnte, während er das, was Mickey sagte, deutlich hörte.
»Sie müssen sehr stolz auf das Veilchen sein, dass Sie Ihrer Tochter verpasst haben, Gordon. Was für ein erbärmlicher Hund muss man eigentlich sein, um ein Kind zu schlagen?«
Wahoo lief es kalt über den Rücken. Hör auf, Pop, sonst rastet er aus .
Doch Jared Gordon sagte nur: »Halten Sie die Klappe, Sie Idiot.«
Das Feuer war am Erlöschen. Obwohl Tuna trockene Zweige und Torf nachlegte, brannte es nur mit kleiner Flamme weiter – zu klein, um vom Suchtrupp bemerkt zu werden, befürchtete Wahoo. Es hörte sich so an, als seien die Suchboote immer noch in weiter Ferne.
Jared Gordon meckerte, weil kein Bier mehr da war. Ansonsten hatte niemand etwas zu sagen. Die Sonne verschwand langsam hinter dem westlichen Horizont, während im Osten ein buttergelber Halbmond erschien. Zum ersten Mal seit einer Woche war der Himmel klar, und je dunkler es wurde, desto mehr Sterne funkelten auf.
Wahoo, der immer noch zwischen den Bäumen kauerte, fragte sich, was aus Derek geworden war. Hatte er Jared Gordon irgendwie provoziert und war von ihm bewusstlos geschlagen worden? Oder war etwas noch Schlimmeres passiert? Wahoo gab sich alle Mühe, ruhig zu bleiben. Er musste sich einen Plan ausdenken. Wenn er auch nur das Geringste falsch machte, stand das Leben seines Vaters auf dem Spiel.
Jared Gordon warf seiner Tochter ein Taschenmesser zu und befahl ihr, Mickeys Fesseln durchzuschneiden, was sie auch tat. Nachdem Jared Gordon das Messer wieder an sich genommen hatte, sagte er: »Los, heben Sie Ihren Hintern hoch. Inzwischen müssen die Pillen gewirkt haben.«
»Haben Sie aber noch nicht«, erwiderte Mickey.
»Pech für Sie. Dann müssen Sie sich eben am Riemen reißen.«
Wahoo tastete verzweifelt auf dem Boden umher, weil er hoffte, einen dicken Ast oder einen Stein zu finden, den er als Waffe benutzen konnte.
Er hörte, wie sein Vater sagte: »Ich bringe Sie zum Highway, Gordon, aber nur unter einer Bedingung: dass Sie Ihre Tochter hierlassen, damit sie auf Hilfe warten kann.«
»Nein! Ich hab Ihnen doch schon erzählt, dass sie die Floydsche Krankheit hat. Sie braucht sofort einen Arzt.«
»Glauben Sie ihm kein Wort, Mr. Cray«, rief Tuna. »Ich bin nicht krank – und Floyd ist übrigens der Name meines Hamsters.«
»Entzückend«, sagte Mickey.
»Aber wenn Daddy es will, geh ich mit ihm.«
»Kommt überhaupt nicht infrage. Nicht, wenn ich das Boot fahren soll.«
Entsetzt beobachtete Wahoo, wie Jared Gordon vortrat und den Revolver auf das Herz seines Vaters richtete.
»Dieses Mädchen ist mein Fleisch und Blut und ohne sie geh ich nich’ von hier weg.«
»Dann müssen Sie eben hierbleiben«, sagte Mickey Cray.
Wahoo war nicht bereit, tatenlos zuzusehen, wie sein Vater vor seinen Augen erschossen wurde. Noch nie im Leben war er von derart starken Gefühlen durchströmt worden – von Angst, Verzweiflung und Wut. Wahoo war zwar nicht so kühn oder impulsiv wie Mickey, aber ebenso loyal und selbstlos wie er. Er
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