Echte Morde
nicht auf Nebengleise begeben! Jane Engle war eindeutig ergraut... aber Gifford Doakes? Dessen Haar war so lang, dass er es nur unter Einsatz größerer Mengen Gel zu einer Pagenfrisur zusammenschieben konnte. Manchmal trug er es auch in einem Pferdeschwanz - John Queensland fand beides ziemlich abscheulich. Gifford war ein Mensch, der einem Angst machen konnte. Er interessierte sich brennend für Massaker ... und sein Freund Reynaldo hätte wahrscheinlich alles getan, was Gifford ihm befahl.
Aber Gifford fiel vom Aussehen her sehr aus dem Rahmen - bestimmt hätte es doch jemand mitbekommen, wenn er das Haus der Buckleys betreten hätte?
Wenn man den Hinweis mit dem Haar einen Augenblick beiseite ließ - wie war der Mörder eigentlich ins Haus gekommen und wie hatte er es wieder verlassen? Eine Nachbarin hatte Lizanne ins Haus gehen sehen, wenig später war ich aufgetaucht.
Lizanne hätte nicht die Zeit gehabt, den Buckleys anzutun, was ihnen angetan worden war. Jemand hatte also die Vorderfront des Hauses im Blick gehabt, zumindest einen Teils des Morgens über. Ich versuchte, ein Bild des Hauses aus der Vogelperspektive heraufzubeschwören, aber Geographie war noch nie meine starke Seite gewesen, und aus der Luft ging schon mal gar nichts.
So saß ich eine Weile da, dachte nach und ertappte mich schließlich dabei, wie ich mehrmals zur Gartenpforte ging, um nachzusehen, ob Robin schon aus der Universität zurück war. Es war Regen angekündigt. Der Tag kühlte rasch und fühlbar ab.
Der Himmel zeigte sich in einem stumpfen, uniformen Grau.
Gerade hatte ich eine Jacke übergezogen und wollte mich allein auf den Weg machen, als Robins großer Wagen vorfuhr und mein Nachbar ausstieg, beide Arme um einen Stapel Bücher und Papiere geschlungen. Warum hatte der Mann denn keine Aktentasche dabei?
„Hör mal, zieh dir andere Schuhe an und komm mit", schlug ich vor.
Robin betrachtete über seine Hakennase hinweg meine Füße.
„Gut!", sagte er bereitwillig. „Ich bringe nur schnell die Sachen ins Haus. Irgendwer hat mir die Aktentasche gestohlen!", erklärte er schon über seine Schulter hinweg.
Ich ging hinter ihm her. „Hier?", fragte ich überrascht.
„Na ja, seit meinem Umzug nach Lawrenceton, und ich bin ziemlich sicher, dass es hier auf dem Parkplatz passiert ist." Robin schloss seine Hintertür auf.
Im Haus standen überall Kartons und Kisten. Nur der Schreibtisch war schon aufgebaut, komplett mit Computer, externer Festplatte und Drucker. Robin ließ seine Papiere fallen und stapfte nach oben, um wenige Sekunden später in riesigen Turnschuhen wieder aufzutauchen.
„Wo wollen wir denn hin?", erkundigte er sich, während er sich die Schnürsenkel zuband.
„Ich habe nachgedacht: Wie ist der Mörder der Buckleys eigentlich ins Haus gekommen? Es wurde nicht eingebrochen, oder? So stand es jedenfalls heute Morgen in den Zeitungen.
Vielleicht haben die Buckleys ihr Haus nie abgeschlossen, und der Mörder ist einfach hineinspaziert. Oder der Mörder hat an der Tür geklingelt, und die Buckleys haben ihn reingelassen - oder sie, wenn es eine Frau oder zwei Leute waren. Egal, wie er reinkam: Wie und aus welcher Richtung hat sich der Mörder dem Haus genähert? Ich will hingehen und es mir ansehen. Ich glaube, der Mörder muss von hinten gekommen sein."
„Also stellen wir die Sache quasi nach?"
„Das war der Plan." Aber kaum hatten wir Robins Haus verlassen, als mich leise Zweifel beschlichen. „Vielleicht sollten wir es lieber sein lassen. Wenn uns nun jemand sieht und die Polizei ruft?"
„Dann sagen wir denen einfach, was wir planen", sagte Robin, ein vernünftiger Vorschlag, wodurch sich unser Vorhaben gleich wieder höchst einfach anhörte. Aber der Mann hatte gut reden: Seine Mutter war keine angesagte Maklerin und rührendes Mitglied der relevanten Kreise unserer Stadt.
Aber jetzt konnte ich nicht mehr kneifen, es war schließlich meine Idee gewesen.
So gingen wir denn vom Parkplatz, Robin voraus, ich hinterher. Bis er einen Blick zurückwarf und kürzere Schritte machte.
Wir kamen ungefähr in der Mitte der Straße heraus, die hinter dem von Robin bewohnten Endreihenhaus verlief. Robin wandte sich nach rechts, also tat ich es ihm nach. An der nächsten Kreuzung wandten wir uns nach Norden, um auf der Parson Road die zwei Blocks zum Haus der Buckleys zu gehen. Vielleicht waren Lizannes Eltern genau in dem Augenblick brutal ermordet worden, als ich an jenem Tag auf meinem Weg zum Essen
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