Echte Morde
zuckten hoch, seine Brille verrutschte - dann begann auch er zu lachen. Irgendwann sah ich auf die Uhr, wobei ich mich fragte, wie lange ich schon nicht mehr so gelacht hatte, herzlich und ohne aufhören zu können.
Als ich sah, wie spät es war, wurde ich rasch wieder nüchtern.
Ich musste mich umziehen. Ein paar Stunden lang hatte ich nicht mehr an die Arbeit gedacht, hatte vergessen dürfen, wie sehr ich mich vor diesem Abend fürchtete: Ich würde allein in der Bibliothek sein.
Niemand hatte daran gedacht, einen Ersatz für Mr. Buckley in den Dienstplan einzutragen, und als das auffiel, war es bereits zu spät gewesen. Keiner meiner Kollegen mochte sich zu einem freien Abend ohne andere Pläne bekennen, und sämtliche anderen Ehrenamtlichen waren für andere Abenddienste eingeteilt worden.
Das teilte ich Robin auf die Schnelle mit. „Ich bin sicher, dass mehr Streifenwagen als sonst unterwegs sind", versuchte er mich zu beruhigen. „Aber vielleicht schaue ich kurz bei dir vorbei.
Ruf an, wenn du mich brauchst, ich bin den ganzen Abend zu Hause."
Während ich den blauen Rock und den tiefroten Pulli anzog, den ich auch am Vormittag getragen hatte, versuchte ich, möglichst nicht an das Beil zu denken. Der Anblick war so furchtbar gewesen, dass ich ihn mit Worten nicht hätte beschreiben können. Während ich zur Arbeit fuhr, betete ich inständig um einen Besucheransturm, der mich am Denken hindern könnte.
Ich übernahm den Ausleihtresen von Jane Engle. Jane war für eine Bibliothekarin eingesprungen, deren Kind Grippe hatte.
Sie sah aus wie immer, das ergraute Haar perfekt frisiert, die Nickelbrille sauber geputzt, das Kostüm schlicht und nichtssagend. Aber unter der ruhigen Fassade entdeckte ich nicht mehr die gebildete, neugierige Kommentatorin der ersten Morde von Lawrenceton, sondern eine zutiefst verängstigte Frau. Jane war froh, der Bibliothek zu entkommen. „Alle Kollegen sind um siebzehn Uhr gegangen, und seither war nicht ein einziger Besucher da", teilte sie mir mit zittriger Stimme mit. „Um ehrlich zu sein, Aurora: Ich war froh darüber. Ich habe inzwischen Angst davor, mit Menschen irgendwo allein zu sein, ganz egal, wie gut ich denjenigen zu kennen meine."
Ich tätschelte unbeholfen ihren Arm. Jane und ich hatten manchmal zusammen zu Mittag gegessen, meist am Tag nach einem Clubtreffen, um noch einmal über das Thema des Abends zu sprechen, aber man konnte unser Verhältnis nicht als eng bezeichnen. Freundschaftlich war es schon, aber nicht allzu vertraut.
„Auf einmal interessieren sich alle möglichen Leute für unseren Club, das war sonst nie der Fall", fuhr Jane fort. „Ich muss jede Menge Fragen beantworten, an die vorher nie jemand dachte. Die Leute halten mich für seltsam, weil ich zu einem Verein mit dem Namen Echte Morde gehöre." Jane war ganz eindeutig eine Frau, die nicht gern für seltsam gehalten wurde.
„Na ja", sagte ich zögernd. „Nur, weil wir ein Hobby haben, das ein wenig anders ist ..." Aber vielleicht waren wir ja wirklich alle ein wenig seltsam, wir „Echten Mörder", wie wir uns manchmal spaßeshalber genannt hatten.
Ha, ha - sehr witzig.
„Einer von uns ist ja wirklich ein Mörder", meldete sich Jane, als hätte sie meine Gedanken gelesen. „Bei einem von uns ist die Sache über ein rein akademisches Interesse an Blut und Tod hinausgegangen, das habe ich an dem Abend bei dir deutlich gespürt."
„Aber wer? Was meinst du, Jane?", fragte ich, während ich zusah, wie sie sich den Schal umband und die Schlüssel aus ihrer Handtasche nahm.
„Ich bin sicher, es handelt sich um jemanden aus unserem Club. Vielleicht ist es auch jemand, der in engem Kontakt zu einem der Clubmitglieder steht. Ob dieser Mensch immer schon geistig verwirrt war oder jetzt erst darauf gekommen ist, uns anderen Mitgliedern grauenhafte Streiche zu spielen, weiß ich nicht. Es könnte sich auch um mehr als eine Person handeln.
Zwei Leute, die gemeinsam vorgehen."
„Es muss nicht unbedingt einer von uns sein! Es könnte auch jemand sein, der einen von uns nicht mag. Oder der Echte Morde als Gruppe nicht mag und will, dass wir Ärger bekommen."
Jane stand an der Tür. Ich wollte unbedingt, dass sie blieb, sie wollte unbedingt endlich gehen dürfen.
Jane zuckte die Achseln, sie mochte sich auf keine Diskussion einlassen. „Es macht mir Angst", sagte sie ruhig. „Es macht mir Angst, mir auszumalen, in welchen Fall ich passen würde.
Immer wieder nehme ich mir meine
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