Echte Vampire beißen sanft
knurrenden Hunden begleitet.
Die Umstehenden buhten.
»Nicht zu fassen, dass sie ihn einfach laufen lässt, wobei von laufen keine Rede sein kann. Er bewegt sich wie ein Zombie. Ich an seiner Stelle würde wie der Blitz abhauen!«
»Vergiss den Kerl. Die Umkleide ist endlich frei!« Zwei blasse Zwanzigjährige mit mehreren Piercings eilten zu der linken Kabine, die offenbar zum Liebesnest deklariert worden war.
»Untersteht euch.« Bei den Kleiderständern mit den Anzügen hatte ich sie eingeholt. »Hört mal alle her, Leute«, sagte ich mit erhobener Stimme, um die Rapmusik zu übertönen.Alles sah in meine Richtung. »Die Umkleiden dürfen nur jeweils von einer Person benutzt werden, und zwar, um Kleider anzuprobieren. Anderenfalls muss ich sie leider schließen.« Jemand stöhnte missmutig, und die beiden jungen Leute, die die Kabine so lange blockiert hatten, klatschten triumphierend ab. Beide hatten gerötete Wangen, und das Mädchen hatte das T-Shirt in der Eile mit den Nähten nach außen angezogen.
Als mir Valdez mit einem Blick zu verstehen gab, dass der Typ mit der Brille weg war, atmete ich erst einmal tief durch.
»Sieh dir das an! Ein Vampir!«
Ganz automatisch hielt ich mir die Hand vor den Mund, ehe mir klar wurde, dass das Gemälde an der Wand gemeint war. Ich bedankte mich bei den beherzten Bibliothekarinnen mit einem großzügigen Preisnachlass und ging Lacy dann an der Kasse zur Hand. Es gab viel zu tun.Vor allem die Nachfrage nach schwarzen Nehru-Jacken und Röcken aus den 1960er-Jahren war groß.
Sobald wir den schlimmsten Ansturm bewältigt hatten, setzte ich mich an meinen Computer und besuchte die Webseite von Channel Six. O toll, mein Interview war online. Somit hatte ich in derTat nicht nur vor der ganzen Stadt meine Beißerchen entblößt, sondern vor der ganzen Welt.
Ich drückte auf »Start«. Am Anfang des Beitrags war ein Teil des ersten Interviews zu sehen, das am Tag des Brandanschlags aufgenommen worden war. Meine »Partnerin« und ich, durchnässt und in Bettlaken und Decken gewickelt, vor dem ausgebrannten Laden. Flo lehnte sich an mich, während ich von Brandstiftung und dergleichen schwafelte. In der nächsten Einstellung stand Donna in ihrem schicken grünen Blazer
vor dem frisch renovierten Laden, und über ihr leuchtete das Neonschild.
»Wie Sie sehen, hat Vintage Vamp’s Emporium wieder geöffnet.« Eine Kundin öffnete die Tür, und Donna folgte ihr hinein. Die Kameralinse zeigte knapp dreißig Sekunden diverse Kleiderständer, Hüte, Accessoires und Vintage-Schnickschnack, dann schwenkte sie zu dem mittlerweile so berühmten Bild.
Ich stählte mich. Ah ja, da war ich auch schon, in diesem Outfit, das ich noch heute Nacht verkaufen würde. Ich hätte wohl kaum pummeliger aussehen können. Der weite Rock mit dem auffallenden Muster ließ meine Hüften noch ausladender aussehen als sie ohnehin schon sind. Querstreifen! Warum fiel mir das erst jetzt auf? Gut, das Dekollete war ganz vorzeigbar, aber um von diesem Desaster abzulenken, hätte es schon bis zum Bauchnabel reichen müssen.
Dafür hatte ich mich sonst ganz wacker geschlagen, wie ich fand, auch wenn mein Lächeln etwas zu breit ausgefallen war. Das passiert mir immer, wenn ich nervös bin. So ein unglücklicher Zufall aber auch, dass mir ausgerechnet in diesem Moment der Geruch des Kameramanns in die Nase gestiegen war. Da! Unbestreitbar, meine Fangzähne, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde. Zum Glück hatte Donna wenigstens den Vorfall mit der Ratte herausgeschnitten.Am Ende des Beitrags stand sie noch einmal auf dem Bürgersteig vor dem Laden, unter dem Schild.
»Sie sehen also, liebe Zuschauer, auf den ersten Blick ist Vintage Vamp’s Emporium ein ganz normaler Secondhandladen, in dem man vom Tellerrock bis hin zu Anzügen aus den 1930ern alles findet.Es könnte aber genauso gut ein Treffpunkt für Vampire sein. Lachen Sie jetzt nicht. Warum, frage ich Sie, spielen Vampire immer wieder eine zentrale Rolle, sei es nun in Bestsellerromanen, im Film oder in der Kunst...« Die
Kamera zoomte durch das Schaufenster hindurch auf Flos Gemälde. »... wenn sie doch angeblich nur ein Hirngespinst sind? Ich habe hier zwar keine Dracula-Umhänge gesichtet, aber ganz egal, was die Inhaberin behauptet, dieses Bild dort drin spricht eine eindeutige Sprache: Hier sind Vampire willkommen.« Donna starrte fest in die Kamera, als wollte sie dem Publikum signalisieren:Auf Donna Mitchell,
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