Echte Vampire beißen sanft
Argument. Bislang hatte ich weder ihr noch Flo von Westwoods E-Mail erzählt; das holte ich jetzt nach.
»Dieses Schwein!«, fauchte Lacy, als könnte sie es kaum erwarten, sich in eine Werkatze zu verwandeln und irgendjemanden in Stücke zu reißen. Ich unterdrückte ein Grinsen. Sie hat mir einmal gestanden, dass sie in ihrer felinen Gestalt eher einem Schmusekätzchen als einem Säbelzahntiger gleicht. Was hatte sie vor? Wollte sie den Missetäter zu Tode schnurren? Flo murmelte aufgebracht etwas auf Italienisch in sich hinein.
»Glory hat die Stimme nur in ihrem Kopf gehört. Westwood. kann also nichts damit zu tun haben, es sei denn, er rekrutiert seine Leute neuerdings auch aus unseren Reihen.« Valdez erhob und streckte sich. »Ich gehe mal nach draußen und sehe nach. Lacy, begleitest du mich? Aber nimm die Leine mit. Unser weißes Fellknäuel hier hatte vorhin verdammtes Glück, dass die Hundefänger nicht in der Nähe waren. Ich für meinen Teil ziehe es vor, Probleme zu lösen, statt sie zu verursachen.«
Damit stolzierte er hoch erhobenen Hauptes zur Tür.
»Och, hat Klein Bello etwa Angst, in den Hundezwinger zu kommen?« Will schob die Schnauze unter meine Hand. »Im Gegensatz zu dir, du Teppichporsche, fürchte ich nichts und niemanden. Ich bleibe hier und passe auf meine Gebieterin auf.«
Sowohl Flo als auch Richard musterten Will mit schmalen
Augen. Sieh an, ich war also nicht die Einzige, der sein süffisanter Unterton beim Gebrauch dieses Wortes aufgefallen war.
»Ihr seid beide Teil des Problems, wenn ihr nicht endlich das Kriegsbeil begrabt. Ich bekomme allmählich gute Lust, Blade zu erzählen, was ihr hier für eine Show abzieht.« Ich rubbelte mir mit dem Handtuch die Farbe aus den Haaren. In den Umkleidekabinen hängen zwar Spiegel, aber Vampire können sich bekanntlich nicht im Spiegel sehen. Tja, war vielleicht auch besser so, im Moment wäre ich bei meinem Anblick wahrscheinlich vor Schreck tot umgefallen. »Ihr geht mir echt tierisch auf die Nerven, und zwar nicht bloß hin und wieder, wie diese Stimme, sondern ständig.«
»Ich gehe mit Valdez nach draußen.« Richard nahm Lacy die Leine ab. »Ladys, ich bin bald zurück. Schließt hinter mir ab.« Er war verschwunden, ehe sie reagieren konnten.
»Puh, der ist ja ganz schön despotisch«, stellte Lacy fest, schob aber trotzdem die Sicherheitsriegel vor. Dann griff sie sich eine Prada-Handtasche. »Kann ich mir die ausborgen, ehe du sie verkaufst, Glory?« Sie grinste Flo an. »Du hast einen tollen Geschmack.«
»Danke.« Flo zuckte die Achseln. »Und ja, du hast Recht, er ist ein richtiger Tyrann. Nur ein Grund, weshalb wir nicht zusammengepasst haben.« Sie ließ einen Augenblick die Schultern hängen, dann riss sie sich am Riemen. »Ich treffe mich nachher mit meinem neuen Lover. Wir sind schon eine ganze Weile zusammen. Er erinnert mich an einen Prinzen, den ich mal in Budapest kennengelernt habe. Er ist äußerst attraktiv, und so umsichtig! Für ihn stehen meine Bedürfnisse an erster Stelle.Verglichen mit ihm ist Richard...«-sie warf einen Blick in die Runde und grinste-»... so gefühlskalt wie eine Kröte.«
»Häh?«, machte Lacy, aber ich hatte gesehen, worauf Flo angespielt hatte: In einer Kiste mit gebrauchten Kleidern, die mir
eine meiner wohlmeinenden Freundinnen vorhin gebracht hatte, lag ganz obenauf ein scheußlicher, knallgrüner Flanellpyjama mit Fröschen und Kröten, die von Seerosenblatt zu Seerosenblatt sprangen. Muss ich erwähnen, dass es um das Liebesleben der edlen Spenderin denkbar schlecht bestellt war? Ich hatte schon lange vor,sie zu verkuppeln. Dieses Projekt würde ich angehen, sobald mein Laden wieder lief.Vielleicht war ja Richard ein geeigneter Kandidat.
Flo lachte. »Hervorragende Idee, meine Liebe. Ja, sieh zu, dass du Richard mit der ehemaligen Besitzerin dieses hässlichen Teiles zusammenbringst. Die beiden passen bestimmt zusammen wie das Auge auf die Faust.«
»Die Faust aufs Auge.« Ich grinste, aber das verging mir gleich wieder, als ich daran dachte, dass Westwood womöglich auch paranormale Wesen mit seiner Mission betraut hatte. Ein äußerst beunruhigender Gedanke. Erstens, weil es vergleichsweise einfach ist, gegen Menschen zu kämpfen; Vampire und Gestaltwandler dagegen haben eine ganze Reihe fieserTricks auf Lager. Zweitens dürfte ein Paranormaler, der für einen landesweit berüchtigten Vampirjäger tätig war, wohl keine Skrupel kennen, wenn es um Gewaltanwendung geht.
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