Echte Vampire beißen sanft
Und drittens... nun, zwei Argumente reichen mir völlig.
Will lief vor dem Fenster auf und ab. Es sah ganz danach aus, als würde es ihm ziemlich gegen den Strich gehen, dass er dazu verdammt war, im Laden zu bleiben, während Valdez womöglich eine Gelegenheit bekam, sich zu profilieren. Ich verdrängte den Gedanken an die drohende Gefahr und widmete mich wieder den abgelegten Stücken meiner Mitbewohnerin. Meine Kundinnen würden ausflippen, wenn sie diese tollen Teile sahen.
Flo wollte offenbar um jeden Preis den Eindruck vermeiden, sie sei auf das Geld angewiesen und hatte auf meinen
Vorschlag,sie für ihre Spenden zu entlohnen, derart pikiert reagiert, dass ich mich rasch geschlagen gegeben hatte. Im Augenblick unterhielt sie sich mit Lacy darüber, dass die hintere Wand meines Ladens so leer aussah. Mir persönlich gefiel alles so, wie es war; schlicht und sauber. Flo dagegen fand, es würde etwas fehlen.
Ich überlegte mir inzwischen, wie meine Werbeflyer aussehen sollten. Ich musste unbedingt meinen Laden wiedereröffnen, ehe das Limit meiner Kreditkarte ausgeschöpft war. In einer Woche, nahm ich mir vor. Komme, was wolle. Es konnte allerdings noch eine ganze Menge kommen. Was, wenn dieser Freak, der mich seit Tagen verfolgte, einen Aufruhr verursachte und meine Kunden verschreckte? Oder, noch schlimmer, wenn er oder sie (wir sind ja emanzipiert, nicht wahr?) mich eines Abends allein im Laden erwischte? Ich fragte mich, warum mir die Stimme befohlen hatte, mich auszuziehen. Ja, ich habe mich ausgiebig ausgetobt, aber ich bin längst nicht mehr scharf darauf, mich wildfremden Leuten nackt zu zeigen. Bei diesen Überlegungen begann etwas an mir zu nagen; eine undeutliche Erinnerung geisterte mir durch den Kopf, ein Gedankenfetzen... Ich zermarterte mir das Hirn, kam aber nicht dahinter, was es war.
Da schlug Will plötzlich an, um die Rückkehr von Richard und Valdez anzukündigen. Kaum hatte Lacy ihnen die Tür geöffnet, gingen die Wortgefechte zwischen den beiden Vierbeinern wieder los. Warum machte ich mir eigentlich Sorgen? Ich war ohnehin nie allein. Dabei wäre zwischendurch eine Ruhepause von den beiden ein wahres Geschenk des Himmels.
»Hey, Glory. Wir haben dir etwas mitgebracht.«
Valdez schob Will beiseite. »Eine kleines Präsent. Es ist draußen hinter dem Haus.«
Richard nahm Valdez die Leine ab und grinste. »Ganz recht. Öffne den Hintereingang.« Er war nun schon den dritten Abend in Folge gekommen, um mit einem oder beiden Hunden eine Runde ums Haus zu drehen.
»Seid bloß vorsichtig. Braucht ihr uns?« Flo legte besorgt die Stirn in Falten.
»Ich bringe sie schon nicht in Gefahr, Florence.« Richards Grinsen war wie weggewischt. »Das würde ich niemals tun.«
»Pfff.« Flo zuckte die Achseln, dann packte sie Lacys Arm und zerrte sie ans andere Ende des Ladens, wo sie ein kleines Geheimprojekt gestartet hatte. Sie hatte sogar ein Bettlaken aufgehängt, damit ich nicht sehen konnte, was sie trieb. Ich ließ sie in Ruhe werkeln und freute mich darüber, dass ich Gesellschaft hatte.
»Kommst du, Glory?« Richard schloss den Lieferanteneingang auf.
»Bin schon unterwegs, und sehr gespannt.« Will folgte mir auf die Straße hinter dem Gebäude. Die Beleuchtung funktionierte zur Abwechslung sogar. Mein schlammbrauner Kombi (die Farbe habe ich bewusst gewählt, damit man den Dreck nicht so sieht) befand sich auf dem üblichen Parkplatz, und daneben stand ein Muskelprotz, der keinen Finger rührte. Nur seine Pupillen flitzten unruhig hin und her.
Ich ging zu ihm und starrte ihm in die hyperaktiven Augen. Hmmm.
»Einer von Westwoods Männern. Hing hier so rum.« Richard befahl den Hunden,sich am Lieferanteneingang niederzulassen, dann bückte er sich und hob eine getönte Brille auf. »Valdez hat ihn entdeckt.«
»Wow Ich schätze, dafür schulde ich ihm ein saftiges Steak.«
Dem Muskelprotz wirbelten tausend Gedanken durch den Kopf. »Vampire. Blutsauger. Ich bin geliefert. Das ist es nicht wert.
Hilfe! Hilfe! Heiliger Strohsack, ich kann mich nicht bewegen. Was haben die bloß mit mir gemacht? Ich kann keinen Finger rühren.«
»Armer Kerl.« Ich packte den Typen am Kinn, und er brach in Schweiß aus. Er war unrasiert, was in seinem Fall aber nicht cool und männlich wirkte, sondern lediglich ungepflegt. »Was wolltest du hier, bei meinem Wagen?«
»Die Reifen aufschlitzen, den Lack zerkratzen, eine Ladung Zucker in den Benzintank kippen. Nur ein paar harmlose Streiche, ich
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