Echte Vampire beißen sanft
Gedanken zu lesen.
Ich kletterte wieder auf sein Motorrad, und dann setzte das Röhren der Harley der friedlichen Stille ein jähes Ende. Ich klammerte mich an Richard, während wir über die Hügel hinunter und zurück in die Stadt brausten. Der Himmel wurde minütlich heller. Ich würde quasi ins Bett hechten müssen, sobald ich daheim war. Dort angekommen, Richard lehnte das Angebot, auf meiner Couch zu nächtigen, mit einem Blick auf meine missmutig dreinschauenden Vierbeiner dankend ab und versicherte mir, er würde es noch rechtzeitig vor Sonnenaufgang nach Hause schaffen. Der Gedanke, ihn zu begleiten, erschien mir durchaus verlockend, vor allem, als Valdez wie erwartet zu seiner Strafpredigt ansetzte.
»Endlich ist es so weit.« Der Abend der Neueröffnung war gekommen. Ich sah mich im Laden um. Alles sah tipptopp aus; sogar noch besser als vor dem Brand, wie ich zugeben musste. Einzig das Laken vor der hinteren Wand war geblieben.
Flo bestand darauf, ihr Werk nachher persönlich zu enthüllen.
»Um Mitternacht geht’s los, richtig?«, fragte Lacy überdreht. Sie war zwar meine Angestellte für tagsüber, hatte diesen großen Augenblick aber nicht verpassen wollen.
»Richtig.« Es klopfte an der Tür. Da konnte es wohl jemand gar nicht erwarten. Valdez und Will, die immer noch sauer auf mich waren,weil ich sie neulich zu Hause gelassen hatte, kläfften der Form halber ein wenig und bezogen dann rechts und links neben der Eingangstür Platz, zwei pelzbewehrte Foo-Fighters mit grimmigen Mienen.
»Das sind CiCi, Frederick und Derek.« Ich ließ die drei herein, und wir umarmten einander reihum. Mit Gräfin Cecilia von Repsdorf und ihrem Sohn bin ich schon seit Jahren befreundet, und als ich nach Austin zog, haben sie mich praktisch adoptiert. Freddys Lover Derek hilft gelegentlich bei mir im Laden aus. Alle drei sind Vampire wie ich.
CiCi hatte mir einige wunderschöne Vasen und Nippes aus ihrer riesigen Sammlung vermacht (die Freddy spöttisch Staubfängermenagerie nennt) und war untröstlich, dass der Großteil davon bei dem Brand zerstört worden war. Zum Glück hatte sich auf ihrem Dachboden reichlich Nachschub gefunden, so dass meine Regale jetzt wieder gut gefüllt waren. Doch sollte ihr Brent Westwood je über den Weg laufen, dann würde sie seine Eckzähne an einer Schnur um den Hals tragen.
»Darling, du hast ja ein wahres Wunder vollbracht.« CiCi trat zu einem Regal, um einen geflügelten Cherub gerade zu rücken. »Ich bin sicher, die Leute werden sich um deine Waren prügeln.«
»Ganz bestimmt, Mutter.« Frederick drückte mir einen Kuss auf die Wange. »Ich habe noch ein paar Klamotten für dich
im Kofferraum; ein paar alte Smokings und einen Kaschmirmantel mit Nerzkragen, den ich in Texas nun wirklich nicht brauche.«
»Warmer Bruder«, murmelte Will.
»Was hast du gesagt?« Derek fuhr herum und starrte den Hund drohend an, ehe ich dazwischengehen konnte.
»Will...«
»Ich sagte ›Armer Pudel‹, und das war auf Valdez gemünzt!« Will trat den Rückzug an, den Schwanz zwischen die Hinterläufe geklemmt.
Kein Wunder. Derek musste als Sterblicher Stammkunde in der Muckibude gewesen sein, und seine Vampirzähne glänzten im Schein der Vintage-Kronleuchter, die von der Decke hingen.
»Für mich klang das verdächtig nach einer Beleidigung.« Derek sah zu Freddy. »Das lasse ich mir nicht bieten,schon gar nicht von einem stinkenden Köter wie dir.« Er versetzte Will einen Stoß in die Schulter.
Dieser knurrte und entblößte nun seinerseits die Beißerchen. »Sollen wir das vielleicht draußen klären?«
»Beruhigt euch, Jungs. Ich glaube, hier liegt ein Missverständnis vor.« Ich warf Will einen »Halt-bloß-die-Schnauze«-Blick zu und legte Derek die Hand auf die Schulter. »Könntest du Freddys Kleidungsstücke gleich holen gehen? Ich bin schon sehr gespannt auf den Kaschmirmantel.«
Derek bedachte Will mit einem letzten bösen Blick, dann zuckte er die Achseln. »Klar. Ich würde alles tun, um das Geschäft wieder zum Laufen zu bringen. Ich brauche diesen Job.« Er ignorierte Freddys Schnauben geflissentlich. Es war kein Geheimnis, dass Frederick nur zu gern bereit gewesen wäre, für den Unterhalt seines Freundes aufzukommen, doch diesbezüglich war Derek wie ich. Es widerstrebte ihm, von
anderen abhängig zu sein. Dank der Verkaufsprovisionen, die er bei mir verdiente, war er nicht auf Freddys Taschengeld angewiesen.
»Ich bin heilfroh, dass du keinen anderen gesucht hast,
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