Echte Vampire beißen sanft
konnte mir lebhaft vorstellen, wie er einem notorischen Schurken den Garaus machte.
»Allerdings. Übler geht es gar nicht.Sie machen sich die Tatsache zunutze, dass sich viele Unsterbliche – die männlichen wie die weiblichen – früher oder später langweilen und sich nach neuen, aufregenden Erlebnissen sehnen.«
»Als wäre ein Dasein als unsterblicher Vampir nicht aufregend genug. Sie glauben wohl irgendwann, sie hätten schon alles getan, alles erlebt.« Klar so weit.Trotzdem kann ich nicht nachvollziehen, wozu man dafür eine Droge benötigt. Es gibt doch unzählige Orte, die man besuchen, unzählige Leute, die man kennenlernen kann. Zugegeben, das Nomadenleben verliert irgendwann seinen Reiz. Seit ich mich in Austin niedergelassen habe, fühle ich mich zum ersten Mal irgendwo heimisch. Ich wäre untröstlich, wenn ich von hier wegmüsste.
»Ich bin den EVs von Buenos Aires hierher gefolgt, um ihnen endgültig das Handwerk zu legen«, sagte Richard mit grimmiger Miene. Kein Zweifel: Wenn irgendjemand in der Lage war, die EVs zu vernichten, dann er.
»Und wie willst du das allein bewerkstelligen?«
»Ich bin nicht allein, ich habe Verbündete. Ich wollte nur noch ein paar Nachforschungen anstellen, ehe ich die hiesigen Vampire in meine Pläne einbinde.« Richard sah mich an und schüttelte den Kopf. »Nicht dich, Glory. Einige der älteren, mächtigeren Vampire.«
»Aber sie sind hinter mir her, Richard«, wandte ich ein und schluckte eine bissige Bemerkung hinunter. Es wunderte mich natürlich nicht, dass er nicht vorhatte, mich in dieses Sonderkommando aufzunehmen.Was könnte eine Vampirin mit Metamorphosehemmung, die sich nur für Klamotten interessiert, schon groß zu dieser Angelegenheit beitragen?
»Ich würde dich niemals als Köder einsetzen, Glory. Aber es wird kein Leichtes sein,sie aufzuspüren. In Argentinien waren die EVs stets sehr auf der Hut, und ich bin sicher, hier verhalten sie sich nicht anders. Ich habe versucht, ihren Aufenthaltsort ausfindig zu machen, bislang erfolglos. Was man so hörte, gingen ihnen in Argentinien allmählich die Energiequellen aus,und außerdem gab es einen... Putsch, wenn man so will. Sie haben einen neuen Anführer, und der hat verfügt, dass sie den Standort wechseln.«
»Einen Putsch? Damian sagte,sie seien eine Art Sekte. Dann müsste man doch annehmen, dass sie einen charismatischen Anführer haben.« Es erstaunt mich immer wieder, wie ahnungslos ich bin, dabei hätte ich weiß Gott genügend Zeit gehabt, mich umfassend zu informieren. Andererseits scheinen die EVs ein äußerst geheimer Geheimbund zu sein.
»Das Wissen der EVs wird von einer Dämonin namens Honoria streng behütet. Man sagt, Honoria sei der Geist der Enkelin eines oströmischen Kaisers, die mit Attila dem Hunnenkönig verheiratet war. Sie ist für die EVs die Quelle der Macht, und sie steht in Verbindung mit ihrem Anführer. Wenn
er seine Anhänger nicht unter Kontrolle hat oder ihr nicht gefällig ist, dann wird er von ihr im wahrsten Sinne des Wortes verschlungen.«
Ich schüttelte mich. Eine Dämonin, die hilflose Vampire auffraß? Zugegeben, das passte dazu, dass sie mitAttila dem Hunnenkönig verheiratet gewesen war. Und Flo hatte sich mit diesen Irren eingelassen? »Man fragt sich unwillkürlich, was sich der alte Anführer zuschulden kommen ließ, nicht?«
»Es kursieren Gerüchte...« Richard schüttelte den Kopf, als wüsste er selbst nichts Genaueres, oder als wollte er nicht noch mehr Zeit damit verschwenden, mit mir über das Thema zu reden. »Aber es hat mich nicht überrascht, dass sie sich für Texas entschieden haben. Selbst in Südamerika ist bekannt, dass Austin ein wahres Paradies für paranormale Lebewesen ist.«
»Ja, die verkaufen hier sogar T-Shirts mit der Aufschrift Keep Austin Weird.« Ich gestehe, ich besitze selbst so ein cooles Teil, das ausdrücklich dazu aufruft, seine Andersartigkeit zu zelebrieren. Es ist rosa und seit jener schicksalhaften Begegnung mit Jerrys Wäschetrockner leider eine Spur zu eng. »Allerdings wage ich zu bezweifeln, dass den Leuten, die für die Kampagne verantwortlich sind, klar ist, wie viele ›Andersartige‹ es in Austin wirklich gibt.«
»Die EVs wissen es jedenfalls, und sie beauftragen Spione wie Greg Kaplan damit, neue Energiequellen für sie zu erschließen. Im Gegenzug versorgen sie sie mit ihren Drogen.« Richard marschierte in die Küche und holte sich nun doch eine Flasche Blutonic. Er schraubte den Deckel ab,
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