Echte Vampire haben Kurven
Gewissen und Liebeskummer hatte. Daran würde ich mich noch gewöhnen.
»Bist du sicher, dass du den Wagen nicht behalten willst?«
Sieh an, er ließ sich doch noch dazu herab, mit mir zu reden, wenn auch nur in kühlem, abweisendem Ton, um seinen verletzten Stolz zu kaschieren. Nach vierhundert Jahren kenne ich ihn ziemlich gut. Gut genug jedenfalls, um zu wissen, dass seine Missstimmung vergehen würde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mir je ganz den Rücken kehren würde. Hat mit seinem Verantwortungsbewusstsein zu tun.
»Der Wagen ist toll, aber danke, nein.« Ich legte ihm die Hand auf den Arm. Fest und ebenso unbeugsam wie sein Dickkopf.
»Und du kommst auch nicht mit nach Lake Charles?«
»Ich kann nicht. Ich habe Pläne hier.«
»Wie du willst. Damian, würdest du sie zu Frederick fahren?«
»Natürlich.«Damian verbeugte sich und schlug die Hacken zusammen, allerdings wurde der Effekt durch das Funkeln in seinen Augen geschmälert. Grüne Augen, dunkles Haar. Was für eine Kombination.
Moment. Vergiss Damian. Blade fuhr mir mit dem Daumen über die Wange. »Auf Wiedersehen, Gloriana.«
»Du fährst? Jetzt?« Ich war entlassen, darüber ließ seine Miene keinen Zweifel aufkommen. »Wenn ich nicht tue, was du verlangst, machst du dich einfach aus dem Staub?«
Blade ließ die Hand sinken. »Es war deine Entscheidung, nicht meine. Pass auf dich auf, Glory.«
»Aber es ist schon spät.«Wie auf ein Stichwort schlug eine Pendeluhr im Haus vier Mal. »Bald wird es hell und …«
»Mach dir um mich keine Sorgen. Damian, danke. Ich melde mich.«
Einen Moment fürchtete ich schon, er würde einfach zur Tür hinausspazieren, und genau das hatte er wohl auch vorgehabt, doch dann warf er Damian einen vielsagenden Blick zu und packte mich, um mir einen Kuss auf die Lippen zu drücken. Keinen Abschiedskuss, sondern einen »Du gehörst mir und ich komme wieder!«-Kuss. Wow. Ich schmiegte mich an ihn, knabberte an seiner Unterlippe und küsste ihn zurück. Ein »Na, warte«-Kuss. Und ein »Mal sehen, ob Mara das toppen kann«-Kuss. Er war nicht der Einzige, der hier Besitzansprüche stellte. Ja, wir haben beide nicht alle Tassen im Schrank.
»Willst du wirklich jetzt aufbrechen, Blade?«Damian klang amüsiert, was für Jerry ein absoluter Stimmungskiller war. Er
fuhr herum, musterte mich ein letztes Mal eindringlich, dann machte er auf dem Absatz kehrt und ging.
»Du kannst immer noch mit ihm gehen.«Damian war meine jammervolle Miene offenbar nicht entgangen.
»Nein.«
Seine Augen leuchteten. Zweifelsohne hatte er den Duft nach Sex wahrgenommen, der Blade und mir anhaftete. Von der Tatsache, dass einige Körperteile an mir in Ermangelung bestimmter Kleidungsstücke schwabbelten, mal ganz abgesehen. Hielt er mich für eine Schlampe? Ich grinste. Sollte er doch. Wie es aussah, las er meine Gedanken, also schickte ich ihm eine entsprechende Nachricht. Er riss die Augen auf, dann lachte er.
»Ich werd’s mir zu Herzen nehmen, Glory. Sollen wir?«
»Warum nicht?« Ich trat vor die Tür und sah gerade noch zwei rote Rücklichter den Hügel hinunterrasen. Entschlossen unterdrückte ich den Drang, loszuheulen oder mit Gegenständen um mich zu werfen und konzentrierte mich stattdessen auf das elegante Cadillac-Cabrio, das vor der Tür geparkt war.
»Cooler Schlitten.«
»Danke.« Damian öffnete die Beifahrertür, und ich nahm auf dem weichen, schwarzen Ledersitz Platz.
»Ein gotisches Schloss, Halloween-Partys, ein schwarzer Oldtimer … Hast du keine Angst, irgendwann von einem übereifrigen Groupie geoutet zu werden?«
Es stimmt. Sobald man als Vampir entlarvt ist, wird man von allen möglichen Irren belagert, vom ehrfürchtigen Fan bis hin zum durchgeknallten Freak. Manche Vampire finden das klasse, aber der Ruhm hat einen Nachteil: Er erregt das Aufsehen von Vampirjägern, die nur darauf warten, neue Kerben in ihren Pfahl zu schnitzen.
»Schon mal das Sprichwort ›man sieht den Wald vor Bäumen nicht‹ gehört? Du solltest mich in meinem Halloween-Dracula-Kostüm sehen.«
Damians Fahrstil entsprach seinem Naturell-selbstsicher und gelassen. Er sah mich von der Seite an und grinste. »Danke.«
Na, toll. Vielleicht konnte ich ihm diese Unart ja gleich austreiben. Ich könnte auch die Gedanken anderer Leute lesen, aber ich tue es nicht, weil man meist mehr erfährt, als einem lieb ist, wenn ihr wisst, was ich meine. Und es nervt mich tierisch, wenn andere Vampire in meinem Gehirn
Weitere Kostenlose Bücher