Echte Vampire haben Kurven
seine getönte Nickelbrille hindurch unverhohlen anhimmelte. Ein seltsamer Kauz, aber er schien Lacy zu vergöttern.
»Hast du Verkaufserfahrung?«
»Und ob. Ich habe seit meinem sechzehnten Lebensjahr jeden Sommer im Geschäft meines Vaters ausgeholfen.« Ryan wechselte einen Blick mit Lacy. »Meinem Vater gehören siebenundfünfzig SuitMasters-Filialen.« Die beiden brachen in schallendes Gelächter aus. »Ist das zu fassen?« Er sah an sich hinunter. Er trug einen Nadelstreifanzug mit breitem Revers, zweifellos Vintage. »Wenn Sie keinen Anzug für neunundsiebzig fünfundneunzig finden, sind Sie nicht bei SuitMasters.«
»Den Slogan kenne ich.« Flo lächelte Ryan an. »Was du da trägst, ist wohl kaum ein Sonderangebot aus dem Laden deines Vaters, oder?«
»Nein. Unser Kleidergeschmack ist ziemlich unterschiedlich. Vintage Vamp’s Emporium ist echt cool. Ich studiere Fashion Merchandising an der University of Texas, und ich bin
überzeugt, die Arbeit in einem solchen Laden wäre von unschätzbarem Wert für mich.« Er hielt Lacys Hand.
»Ich möchte mal eine eigene Textilkette eröffnen.«
»Gab es nicht auch mal einen Laden, der SuitMistress hieß?« Flo blickte Ryan aufmerksam an.
Er rümpfte die Nase. »Ja, nicht unbedingt die beste Geschäftsidee meines Vaters. Frauen stehen nicht auf das Konzept mit den Billigklamotten. Meine Läden sollen ganz anders werden. Hochwertige Kleidung im Retro-Look.«
»Ich soll mir also meine eigene Konkurrenz züchten?«, fragte ich.
»Keine Sorge, ich kehre nach Houston zurück, sobald ich meinen Abschluss in der Tasche habe. Dort kenne ich die Szene, und dort werde ich den Grundstein für mein Unternehmen legen.« Er küsste Lacy auf die Wange. »Wir sind zwar noch nicht lange zusammen, aber ich habe schon jetzt das Gefühl, Lacy könnte es in Houston gefallen.«
Lacy errötete und bedachte Valdez mit einem warnenden Blick, als dieser schnaubte. »Was meinst du, Glory, kann Ryan bei uns anfangen? Ich könnte wirklich Hilfe gebrauchen.«
Ryan machte einen kompetenten Eindruck, und ich wollte der jungen Liebe nicht im Weg stehen. Genau genommen war Lacy zwar bereits dreihundert Jahre alt, aber sie schien Ryan wirklich zu mögen. Vielleicht wurde daraus ja tatsächlich eine Beziehung, für die es sich lohnte, nach Houston zu ziehen.
»Klar. Du kannst am Dienstag anfangen, Ryan. Lacy wird dich einarbeiten, nicht wahr, Lacy?«
»Mach ich. Danke, Glory.« Sie umarmte mich, dann zog sie Ryan hinter sich her zur Tür. »Tschüss, Mädels.« Sie schob ihren Angebeteten hinaus in den Korridor, dann wandte sie
sich noch einmal um, fuhr die Krallen aus und fauchte in Richtung Valdez.
»Sie hat etwas Besseres verdient« , stellte dieser fest, sobald sie die Tür hinter sich geschlossen hatte.
»Also, ich finde ihn ganz ansehnlich, obwohl ich seine Gedanken nicht lesen konnte. Das kommt bei manchen Sterblichen vor, eine Art weißes Rauschen. Egal. Er wirkt harmlos.«
Flo warf ihre Dose in den Mülleimer und lockerte sich das Haar auf. »Gehen wir.«
»Blade möchte, dass Glory hierbleibt.«
Ich stemmte die Hände in die Hüften. »Blade ist nicht mein Gebieter.« Zugegeben, mir war nicht ganz wohl bei der Vorstellung, vor die Tür zu gehen, aber immerhin wusste ich inzwischen, wie Westwood aussah. Und wenn wir zusammenblieben und uns nur an belebten Orten aufhielten … Was Ryan anging, kamen mir nun doch Bedenken. Dass Flo nicht in der Lage gewesen war, seine Gedanken zu lesen, beunruhigte mich ein wenig, auch wenn sie diesem Umstand keine weitere Bedeutung beimaß. Ich selbst hatte es gar nicht versucht. Trotzdem … Vielleicht sollte ich ihn lieber doch nicht einstellen.
»Ryan ist in Ordnung. Und da, wo ich mit dir hinwill, tummeln sich jede Menge Leute, und es wird tolle Musik gespielt. Westwood wird uns dort garantiert nicht vermuten.« Flo nahm ihre blaugrüne Fiori-Tasche zur Hand, die perfekt zu ihrem grünen Hosenanzug passte. Ihre Schuhe waren aus blauem Eidechsenleder. Ich brauchte auch neue Schuhe, aber woher sollte ich die Zeit zum Shoppen nehmen?
Vielleicht konnte ich morgen Abend einen Abstecher ins Einkaufszentrum machen. Meine braunen Sandalen waren ganz okay, aber es war fast Oktober, und die Nächte wurden allmählich zu kühl für offene Schuhe. Ich brauchte Stiefel.
Bestimmt würde mir Westwood nicht in einem Einkaufszentrum auflauern.
Ich legte mir ein Tuch um die Schultern und ergriff meine Handtasche, ein Schmuckstück aus geprägtem,
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