Echten Maennern gibt man ein Kuesschen - Roman
Spaß bei der Sache hatten, womit das Rennen selbst nicht viel zu tun hatte.
In jeder Wechselzone, in der die Wettkämpfer mit pochenden Herzen ankamen, immer noch unter Hochdruck stehend,
um sich für die nächste Etappe zu rüsten, die Augen auf ihre Stoppuhren und auf ihre Konkurrenten vor ihnen und hinter ihnen gerichtet, erschöpft und körperliche und seelische Qualen leidend und dennoch wild entschlossen und tapfer, wurden die Journalisten nach allen Regeln der Kunst verwöhnt, mit Wein und Essen abgefüllt und umsorgt, bis ihre schlappen kleinen Herzen mit aufgeblasener Selbstgefälligkeit vollgepumpt waren. Dass Thierry mit einer überstrapazierten Kniesehne lief - wen kümmerte es? Dass Hans gestürzt war und sich die Haut von den Schienbeinen geschürft hatte - wen kümmerte es? Und dass Franks Füße so wund waren, dass sie anfingen zu bluten, als er sich die Socken auszog - wen kümmerte es? Solange die Journalisten bei ausreichend guter Laune gehalten wurden, um jedes Mal, wenn sie zum Stift griffen, Lobgesänge auf ProTrain zu Papier zu bringen, und diese Lobgesänge dann gedruckt wurden, war all das völlig nebensächlich.
Alex wollte am liebsten schreien: »Haltet den Bus an!«, und neben den Wettkämpfen herlaufen, um sie anzufeuern.
Bentley, der neben ihr saß und sich gerade von einer der Busbegleiterinnen ein Glas Champagner und Blini mit geräuchertem Lachs reichen ließ, sah zu ihr hinüber, musterte ihr missbilligendes Gesicht und schüttelte, Gedankenleser, der er war, den Kopf.
»Jeder von uns hat seine eigenen Gründe, hier zu sein, Alex, und einige haben altruistischere Gründe als andere, aber ich habe den Eindruck, dass dir das Ganze ziemlich nahegeht. Das solltest du nicht zulassen. Manche Dinge werden hier vielleicht nicht so gewürdigt, wie sie es sollten, aber ich glaube, das ganze Ereignis ist so ausgerichtet, dass am Ende jeder bei diesem Abenteuer sein eigenes Happy End erlebt.«
Und dann umarmte er sie.
Was mit Blini, aus denen der Kaviar hervorquoll, in der einen Hand und einem randvollen Glas prickelndem Champagner
in der anderen ein eher schwieriges und etwas plump wirkendes Unterfangen war. Doch diese Geste bedeutete Alex mehr, als sich irgendjemand vorstellen konnte, denn Bentley war absolut kein Typ, der einen umarmte; ab und zu küsste er seine besten Freundinnen zur Begrüßung rechts und links auf die Wange, aber eine richtige Umarmung, und er umarmte sie gerade richtig, war bei ihm eine absolute Seltenheit.
Sie brauchten fast eine Dreiviertelstunde, bis sie sich ihren Weg aus dem verstopften St. Helier gebahnt und über Nebenstraßen die Mittellinie der Rennstrecke erreicht hatten.
Der Weltrekord der Männer beim richtigen Marathonlauf betrug zwei Stunden und vier Minuten. Diese Männer, diese beeindruckenden Athleten, würden die heutige Straßenetappe, locker in dieser Zeit bewältigen können, doch da sie wussten, dass dies nur die erste Etappe eines Ausdauerwettkampfes war, würden sie ihre Kräfte einteilen.
Als sie aus dem Bus stiegen und zu dem oberhalb der Versorgungsstation gelegenen Aussichtspunkt gingen, der im Grunde nichts anderes war als der Balkon eines sehr feinen Restaurants, auf dem Cocktails mit Namen wie ProTrain-Piña und Go Go Mojito für sie bereitstanden, kamen bereits die ersten Athleten in Sicht.
An der Spitze waren, wie erwartet, Björn, Dimitri, Wayne und Danny. Sven hatte ebenfalls zu den Ersten aufgeschlossen, wohingegen Thierry und Taiga ein wenig zurückgefallen waren und jetzt Schulter an Schulter einige hundert Meter hinter den Ersten liefen. Wiederum hundert Meter hinter ihnen folgte Owen, der junge Waliser, der Seite an Seite mit Seamus McGarian und Finnur Palson lief. Die übrigen Wettkämpfer liefen in einer Gruppe ein Stück weiter hinten, und das Schlusslicht bildete Toyan, der inzwischen Gesellschaft von Tommy Fletcher und Benito Spalla bekommen hatte.
Einige, aber nicht alle, hielten kurz an und schnappten sich Müsliriegel und Gelbags.
Ein Kellner hielt Alex sein Tablett hin, auf dem in sämtlichen Farben schillernde Cocktails bereitstanden.
»Könnte ich vielleicht ein Glas Wein bekommen?«, bat Alex, die sich irgendwie leer fühlte, als die letzten Läufer die Mittellinie hinter sich gelassen hatten und aus ihrem Blickfeld verschwunden waren.
»Ein Ziellinien-Wein, sehr wohl, kommt sofort.« Der Kellner zwinkerte ihr zu.
»Du meine Güte.« Alex schüttelte erstaunt den Kopf.
»Probierst du keinen Cocktail?«
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