Echten Maennern gibt man ein Kuesschen - Roman
muss. Zum Glück flucht unser Neuer offenbar nur auf Französisch, was Daddy und ich natürlich verstehen, aber außer uns Gott sei Dank niemand.«
»Der neue Koch ist Franzose?«
»Ja, er kommt aus Eze. Er wurde uns von Monsieur Gerard empfohlen. Du erinnerst dich doch an Monsieur Gerard, mein Schatz, oder? Den Besitzer des hervorragenden Restaurants unten am Hafen. Wir konnten uns also sicher sein, dass er gut ist.«
Remy nickte nachdenklich. Bevor sie das Priory übernommen hatten, hatten ihre Eltern eine Pension und ein Restaurant in einem Badeort in der Nähe von Cannes besessen. Sie hatten zwar nur zwei Jahre dort gelebt, aber Remy hatte immer noch schöne Erinnerungen an die Zeit, und ihr Französisch war gut. Sie hatte oft davon geredet, dass sie irgendwann einmal dorthin zurückgehen wollte. Vielleicht sollte sie ihr Vorhaben nun eher in naher als in ferner Zukunft in die Tat umsetzen.
»Du warst doch schon immer gut darin, aufgebrachte Seelen zu besänftigen«, fuhr ihre Mutter fort. »Genau wie dein Bruder. Wie wär’s, wenn du mal in die Küche runtergehst und versuchst, das Ganze in Ordnung zu bringen? Ruf am besten die Taylors an, du erinnerst dich doch an Dominic Taylor, oder? Den Obst- und Gemüsehändler? Ein netter Junge.«
Remy lachte kurz auf. Ihre Mutter hatte Dominic Taylor immer als »einen netten Jungen« bezeichnet, auch wenn er mittlerweile fast vierzig war.
»Bitte sie, ob sie klären können, wie es zu der Verwechslung kommen konnte, und dann versuch, ob du François so weit besänftigen kannst, dass er sich wieder auf seine Soufflés konzentriert.«
»Ich werde mein Bestes versuchen.«
Connie lächelte in sich hinein, als Remy zielstrebig in Richtung Küche marschierte.
Sie hätte das Problem ohne Weiteres auch selber lösen können, doch Connie hatte es schon immer für eine hervorragende Methode gehalten, sich von seinen eigenen Problemen abzulenken, indem man sich den Problemen anderer widmete.
Remy hatte das geschäftige Treiben in der Küche immer geliebt; während der Rest des Hotels bewusst stets eine Aura der Ruhe ausstrahlte, ging es in der Küche zu wie in einem Bienenstock, ganz zu schweigen davon, dass es dort immer eine unermessliche Vielfalt an Köstlichkeiten gab. Als sie ein Teenager gewesen war und somit in einem Alter, in dem jegliches Essen noch nach seinem Geschmack bemessen wurde und nicht nach seinem Kaloriengehalt, war die Küche sowohl auf ihrem Weg in die Schule als auch auf ihrem Rückweg immer ihr erster Anlaufpunkt gewesen. Der damalige Koch, den alle immer Mr. Paul genannt hatten, hatte ein Faible für sie gehabt; er hatte sie ihre »Hauptverkosterin« genannt und immer irgendeine Köstlichkeit für sie zum Probieren bereitgehalten.
Im Augenblick waren in der Küche gerade die Vorbereitungen für das Frühstück in vollem Gange; in der Luft lag der köstliche Geruch nach gebratenem Speck und vermischte sich mit dem eher zarten Limonenaroma, das aus einem riesigen Bottich mit Sauce Hollandaise aufstieg.
Die Mitarbeiter sahen sie neugierig an, als sie durch die Küche marschierte und Ausschau nach einem bekannten Gesicht hielt.
Alle schienen neu zu sein. Das war bei Küchenpersonal
heutzutage offenbar der Normalfall, wie ihre Mutter kürzlich festgestellt hatte. Beflügelt von der Vorstellung, der nächste Jamie Oliver zu sein, blieben die Leute nur für kurze Zeit, wenn sie sich der Tatsache bewusst wurden, dass ihre tatsächliche Plackerei so gar nichts mit ihrem Traum zu tun hatte, in dem sie sich selber dabei gesehen hatten, wie sie vor einem Kamerateam, einem um sie herumscharwenzelnden Regisseur und einem Millionenpublikum in fünf Minuten ein Abendessen für zwölf Personen zauberten.
Ihr Vater bezeichnete dieses Phänomen als Weichzeichnungsblick; die vernünftige Sicht aufs Leben wurde den Leuten durch die Highlights getrübt, die unentwegt aus dem Fernsehen auf sie einrieselten.
Da entdeckte sie Maggie Dayton, die Restaurantleiterin, die soeben aus ihrem Büro kam. Maggie arbeitete bei ihren Eltern, seit sie das Priory übernommen hatten, und sie war eine alte Freundin, eine Art ehrenamtliche Tante, die Remy bei etlichen ihrer Verkostungen Gesellschaft geleistet hatte, wie auch bei dem Marathon-Weinen an jenem Tag, an dem Mr. Paul sie verlassen hatte, um seinen Lebenstraum zu verwirklichen und auf der Queen Elizabeth 2 zu arbeiten.
Die beiden riefen einander beim Namen und fielen sich spontan in die Arme.
»Keine Sorge, deine Mum hat
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