Echten Maennern gibt man ein Kuesschen - Roman
Nummern heimlich aus dem Handy von jemand anderem hatte beschaffen müssen, wo es doch absolut rational war zu erwarten, dass er ihr die Informationen direkt schickte.
Wenn er die Nummern Remy per SMS schicken konnte, konnte er sie doch auch ihr schicken.
Es sei denn, er wollte nicht, dass sie sie hatte.
Und warum würde er nicht wollen, dass sie sie hatte?
Weil er nicht wollte, dass sie ihn auf seinem Zimmer anrief?
Und warum würde er nicht wollen, dass sie ihn auf seinem Zimmer anrief?
Weil jemand anders den Hörer abnehmen könnte?
Und weil der Gedanke an diese Möglichkeit so besinnungslos in ihrem Kopf Amok lief wie eine entlaufene Geisteskranke, wollte sie in diesem Augenblick natürlich nur das eine: Ja, Sie haben es erraten … ihn auf seinem Zimmer anrufen.
Sämtliche Gründe, weshalb sie es besser bleiben lassen sollte, schossen ihr durch den Kopf, selbst dann noch, als sie den Hörer von der Gabel nahm und begann, seine Nummer zu wählen.
Sie war eine irrationale paranoide Idiotin.
Jawohl, eine irrationale paranoide Idiotin.
Ein neuer Slogan.
»Ich bin eine irrationale paranoide Idiotin«, sagte sie laut zu sich selbst, brachte sich jedoch zum Schweigen, als es am anderen Ende der Leitung zu klingeln begann.
In Hongkong war es vier Uhr morgens.
Jake würde schön zugedeckt im Bett liegen, allein natürlich, und vielleicht schnarchen; auf jeden Fall würde er schlafen.
Was sollte sie tun, wenn er abnahm? So tun, als ob sie sich verwählt hätte?
Das Ganze würde sie etwa dreißig Pfund in Münzen kosten - und wofür? Für die Aussicht, einen verschlafenen Jake »Hallo? Hallo? Hallo?« sagen zu hören, während sie sich bemühte, nicht zu heftig Luft zu holen für den Fall, dass er sie sogar an ihrem nervösen, rasselnden Atem erkannte?
Es war ein lächerliches, dummes Vorhaben, und das wusste sie auch.
Trotzdem legte sie nicht auf, und als sich eine ausländisch klingende Stimme mit »Hongkong Bay Hotel, guten Abend, mit wem darf ich Sie verbinden?« meldete, entgegnete sie, ohne zu zögern: »Mit Zimmer Nummer sechs vier zwei, bitte, Mr. Jacob Daniels.« Sie schaffte es sogar, einen ziemlich armseligen irischen Akzent vorzutäuschen. Nur für alle Fälle.
Nachdem sie durchgestellt worden war, klingelte es ein paar Mal.
Alex wollte gerade kneifen und den Hörer auflegen, als sie hörte, wie jemand abnahm.
»Hallo?«, fragte jemand kurz angebunden und mit eindeutig genervter Stimme.
Alex knallte den Hörer auf und sprang vom Telefon weg, als hätte es sie gerade gebissen.
Für einen Moment stand sie da und starrte es an, dann fing sie an, sich selbst zu beschimpfen.
»Scheiße, Scheiße, Scheiße - warum machst du so einen Scheiß?«
Nun, sie wusste sehr genau, warum sie es getan hatte.
Die Stimme, die sich gemeldet hatte, war eine Frauenstimme gewesen.
Alex hatte reflexartig den Hörer auf die Gabel geknallt, weil sie gedacht hatte, falsch verbunden worden zu sein. Doch jetzt, da sie genauer darüber nachdachte, anstatt nur instinktiv zu reagieren, war sie sicher, nach dem richtigen Zimmer verlangt zu haben, nämlich nach der Zimmernummer, die Jake Remy früher am Tag per SMS geschickt hatte.
Sie musste noch einmal anrufen.
Inzwischen zitterte sie.
Scheiße. Eigentlich wollte sie nicht noch mal anrufen, aber inzwischen wäre nicht anzurufen noch viel schlimmer, als die Sache durchzuziehen und es erneut zu versuchen. Falls sie mit dem falschen Zimmer verbunden worden war, prima, aber falls nicht… tja, dann hatte soeben eine Frau den Hörer in Jakes Schlafzimmer abgenommen; um vier Uhr in der Früh, eine Frau, die verärgert geklungen hatte, weil sie gestört worden war.
Mit zitternden Fingern wählte Alex die Nummer ein zweites Mal.
Diesmal meldete sich eine andere Rezeptionistin. Eine forschere, freundlichere, die besser Englisch sprach.
»Hongkong Bay Hotel. Mit wem darf ich Sie verbinden?«
»Mit Zimmer sechs vier zwei, bitte. Ist das das Zimmer von Mr. Jacob Daniels?«
Es herrschte kurzes Schweigen, während die Rezeptionistin ihren Bildschirm konsultierte.
»Ja. Möchten Sie durchgestellt werden?«
»Ja, bitte.«
Das Telefon klingelte erneut.
Alex wurde sich auf einmal bewusst, dass sie sich so heftig auf die Unterlippe biss, dass es wehtat.
Diesmal nahm schneller jemand ab.
»Hallo?«
Es war Jake.
Um ein Haar hätte sie erneut den Hörer auf die Gabel geknallt, doch sie zwang sich, es nicht zu tun und auch nichts zu sagen, nein, sie durfte nichts sagen,
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