Echten Maennern gibt man ein Kuesschen - Roman
dies war eine Untersuchungsmission, kein Telefonat zum Plaudern. Sie bot all ihre Willenskraft auf, um ihr laut pochendes Herz dazu zu bringen, Ruhe zu geben, und horchte angestrengt, ohne genau zu wissen, auf was.
Auf knarrende Bettfedern vielleicht?
Oder das Rascheln einer Kondomverpackung?
Oder das Knallen einer Peitsche oder das Ratschen eines Reißverschlusses, wenn jemand einen oberschenkellangen Stiefel öffnet?
»Hallo?«, wiederholte er, und in seiner Stimme lag ein Hauch von Missbilligung.
Sie konnte keine weiteren Geräusche ausmachen. Vielleicht war sie beim ersten Mal zu einem falschen Zimmer durchgestellt worden; immerhin dürfte ihr irischer Akzent für jemanden aus Hongkong ziemlich unverständlich gewesen sein.
Wahrscheinlich hatten sie etwas ganz anderes verstanden, und jetzt beschwerte sich irgendeine Frau aus Zimmer sechs vier was auch immer, dass sie von einem wildfremden Anrufer mitten in der Nacht geweckt worden sei.
Und in dem Moment hörte sie die gleiche Stimme wieder.
»Jake?«
Diesmal war es eindeutig, wem die Stimme gehörte.
Und dann legte er auf.
Alex lehnte sich einen Moment lang an die Wand, atmete langsam aus und versuchte, rational zu denken.
Gut, Alison King war also um vier Uhr morgens in Jakes Zimmer. Es gab eine Reihe von Gründen, warum sie um diese Uhrzeit in seinem Zimmer sein könnte. Das Problem war nur, dass der eine Grund, der Alex immer wieder durch den Kopf spukte und ihr einen Tritt in die Hirnrinde verpasste, der schlimmste aller denkbaren Gründe war. Dass die beiden Sex miteinander hatten. Eine heiße Affäre. Dass sie die Gelegenheit nutzten, Tausende von Meilen von Alex entfernt in einem romantischen Hotelzimmer zu sein. In einem Hotelzimmer mit einem verdammten Wasserbett!
Alex lehnte ihren Kopf einen Moment an die Wand; dann trat sie einen Schritt zurück und schüttelte ihn energisch.
Jake würde ihr so etwas nicht antun.
Das täte er einfach nicht.
Oder doch?
Wenn sie in seiner Situation wäre - würde sie ihn betrügen?
Natürlich nicht. Sie liebten sich doch. Waren glücklich miteinander. Na ja, meistens jedenfalls. Aber würde man die Höhen überhaupt richtig zu schätzen wissen, wenn es nicht auch Tiefen gäbe?
Alex würde Jake nicht betrügen.
Jake würde Alex nicht betrügen.
Dafür waren sie beide viel zu integer.
Es hatte mit seiner Arbeit zu tun.
Sie war um vier Uhr morgens in seinem Zimmer, weil sie irgendetwas Dienstliches zu erledigen hatten. Schließlich waren sie nach Hongkong geschickt worden, weil es schwerwiegende Probleme zu lösen gab. Schwerwiegende Probleme bedeuteten viel Arbeit.
Sie arbeiteten.
Das war alles, was dahintersteckte.
Das. War. Alles.
Alex riss sich zusammen, erst mental, dann auch physisch; sie richtete ihr Haar, strich ihre Kleidung glatt und ging zurück ins Restaurant. Doch als sie sich ihrem Tisch näherte, sah sie, dass eine leicht angesäuselte Remy gerade einen Anruf auf ihrem Handy entgegennahm.
»In Ordnung, Brüderchen.«
Alex blieb wie angewurzelt stehen.
»Nein, ich war es nicht. Ich habe dich nicht angerufen …«
»Ich esse gerade mit Lex in einem Restaurant …«
»Klar geht es mir gut …«
»Alex? Nein, ich glaube kaum, dass sie es war. Sie war gerade auf dem Klo …«
»Also, ihre Tasche steht hier, demnach kann sie sie nicht bei sich haben. Soll ich ihr ausrichten, dass sie dich anrufen soll?«
»Es ist bei dir schon nach vier Uhr? Wieso bist du denn dann noch auf?«
»Du hattest eine lange Nacht? Was du in einer langen Nacht machst, Jack, das würde mich auch interessieren«, lachte Remy und hielt dann abrupt inne. »Mann, ich mach doch nur Scherze! Was bist du denn so empfindlich heute? Hast du eine Geisha auf deinem Zimmer? … Okay, okay, war wieder nur ein Scherz. Ja, in Ordnung, ich sage es weiter. Pass auf dich auf, und Jack … apropos Geisha … iss nicht das Stück
Sushi, mit dem sie bedeckt ist… In Ordnung, dann leg doch auf, auch wenn ich noch mit dir rede. Bye, Jacob Daniels … lass es dir gut gehen in Hongkong …«
Sie klappte ihr Handy zu, nahm einen weiteren Schluck Wein und bekam einen Schluckauf. Als der viel zu gutaussehende Kellner daraufhin zu ihr eilte und ihr Wasser anbot, lächelte sie ihn an.
Alex für ihren Teil lächelte ganz und gar nicht. Sie spulte noch einmal ab, was sie soeben mitangehört hatte, und ihr Herz verkrampfte sich. Was zum Teufel ging da vor?
Während der viel zu gutaussehende Kellner den Tisch verließ, riss Alex sich
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