Echten Maennern gibt man ein Kuesschen - Roman
Anblick des öffentlichen Telefons im Flur vor den Toiletten vermutlich nicht in Versuchung gekommen, in die Kabine zu schlüpfen und ein Telefonat zu führen.
Nach Hongkong.
Während ihrer Arbeit hatte Alex sich absolut professionell verhalten - auch wenn man sich in einem Saal voller Männer, die vorwiegend wegen ihres Charmes und ihres guten Aussehens ausgewählt worden waren, leicht beirren lassen konnte -, doch kaum hatten sie das Restaurant betreten, das Remy für ihr Dinner ausgesucht hatte, war sie erneut zu dem paranoiden jungen Mädchen mutiert.
Eigentümlicherweise war ihr eigenes Vergnügen, das sie genossen hatte, der Auslöser gewesen. Wenn sie sich schon von einem Saal voller gut aussehender Männer, die sie gar nicht kannte, so leicht beirren ließ, wie einfach war es da, sich von einer tollen Frau beirren zu lassen, die man sowieso bereits bewunderte und mit der man alleine war?
Doch es war nicht nur das, es war auch das Restaurant selbst. Remy hatte es an ihrem ersten Tag entdeckt, als sie vom Strand zurückgekommen war; ein nettes kleines Fischlokal mit Blick aufs Meer, das über jedes einzelne Detail verfügte, das man von einem netten kleinen Fischrestaurant erwartete: an den Wänden Fischernetze, Hummerreusen und ausgestopfte Fische, Bojen, Ruder und Barometer sowie alte
Schwarz-Weiß-Fotos von knorrigen Fischern mit ihren alten Fischerbooten; außerdem gab es lebendige Fische in Aquarien und sogar eine alte geschnitzte Galionsfigur vom Bug eines vor langer Zeit irgendwo gesunkenen Schiffes, die von der Decke herabhing, als zierte sie immer noch den Bug eines Schiffes unter vollen Segeln. Es war genau der Ort, den auch Jake ausgesucht hätte. Er hätte das Lokal mit seinen wie Miniaturleuchttürme aussehenden Lampen auf jedem Tisch und den auf Schatzkarten gedruckten Speisekarten geliebt. Er wäre regelrecht ins Schwärmen geraten.
Es gab sogar seinen Lieblingswein, Barolo, und sein Lieblingsessen, Surf and Turf, und Alex verspürte den Drang, beides zu bestellen, um sich ihm näher zu fühlen. Wie bescheuert war sie bloß? Sie mochte Steaks nicht mal besonders gern. Aber es war so idyllisch und so wunderbar schön, und das alles ohne ihn zu erleben, war ihr einfach zu viel, erst recht nachdem sie bereits die zweite Flasche Barolo halb geleert hatten, die Alex kurzerhand bestellt hatte, nachdem die erste so gut runtergegangen war, und dann hatte sie die Toiletten angesteuert, zum einen um ein ernstes Gespräch mit sich selbst darüber zu führen, was für eine betrunkene, paranoide Idiotin sie war, und zum anderen, um ein wenig von dem, was sie getrunken hatte, loszuwerden, und da hatte sie sie entdeckt: die kleine, diskrete Telefonkabine in einer diskreten abgedunkelten Ecke des Flurs. Auf dem Hinweg zu den Toiletten hatte sie sie nicht einmal gesehen. Sie war ihr erst auf dem Rückweg ins Auge gefallen, und das auch nur, weil eine andere Frau die Damentoilette betreten wollte, als sie selber sie verließ, und diese Frau gehörte zu der breiteren Sorte; sie sah aus, als ob sie sich an den meisten Abenden der Woche an Surf and Turf und zwei Flaschen Wein labte, sodass Alex einen Schritt zur Seite treten musste, um die aus dem ziemlich engen Flur kommende Frau durch die enge Toilettentür zu lassen, tja, und wie
es das Schicksal wollte, fand sie sich auf einmal in dieser kleinen Telefonkabine wieder.
Und natürlich dachte man beim Anblick von Telefonkabinen ans Telefonieren.
»Ruf mich an, wenn du mich brauchst«, hatte Jake beim Mittagessen zu Remy gesagt.
Es war ja sehr nett und edel von ihm, dass er sich um seine kleine Schwester kümmerte. So etwas erwartete man von einem Mann wie Jake, aber was war, wenn sie , Alex, ihn brauchte?
Zehn Minuten nach dem Mittagessen, als Alex gerade die größte Schale Trifle in sich hineingelöffelt hatte, die sie je ohne einen Weihnachtsbaum im Hintergrund verputzt hatte, hatte er Remy eine SMS mit seinen Hoteldaten geschickt - für den Fall, dass sie ihn brauchte und ihn über sein Handy nicht erreichen konnte.
Alex hatte er seine Hoteldaten nicht mitgeteilt.
Warum hatte er ihr nicht seine Hoteltelefonnummer und seine Zimmernummer mitgeteilt?
War sie zu kleinlich, dass sie sich darüber ärgerte?
Als Remy geduscht hatte, hatte Alex sich mit schlechtem Gewissen ihr Handy geschnappt und sich die Informationen aus der SMS abgeschrieben. Und danach hatte sie sich geärgert, dass sie genötigt worden war, sich schlecht zu fühlen, weil sie sich die
Weitere Kostenlose Bücher