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Echtzeit

Echtzeit

Titel: Echtzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Reitz
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sehen, die er ihr immer wieder gab.
    »Alles gut.« Sie fasste seine Handgelenke und löste den Griff. »Hab mich nur erschreckt. Bin wohl nur noch den Linksverkehr gewöhnt.« Sie rang sich ein kleines Lächeln ab.
    »Ich denke, wir nehmen die Ampel«, beschloss er.
     
    Gemeinsam standen sie vor dem Imbisswagen und warteten brav auf ihre Bestellung. Der Schock ihres Beinahe-Unfalls war Gott sei Dank nicht von langer Dauer gewesen und Toms besorgter Gesichtsausdruck war wieder dem frechen Grinsen gewichen, das er ihr immer wieder zuwarf. In diesen Momenten fühlte es sich so an, als wäre diese Silvesternacht erst gestern gewesen und sie wäre nie gegangen. Alles andere, die schmerzliche Trennung, die vergangene Zeit, waren unwichtig und sie kam sich wieder vor, wie achtzehn und frisch verliebt. Hatte sie damals vielleicht die falsche Wahl getroffen? Was für ein Unsinn! Sie lebte noch immer in London und er hatte hier seinen Job. Ihr Leben war die Musik. Nur das war wichtig.
    Endlich drückte der dickliche Imbissbudenmensch ihr die Plastikschale mit der Currywurst und einer Riesenportion Fritten in die Hand und holte sie damit aus ihren Gedanken.
    »Mmh sieht das lecker aus«, sagte Nina und balancierte ihr Drei-Sterne-Menü geschickt zu einem freien Stehtisch.
    »Ja, hier in der Gegend ist das die beste Currywurst. Huch!« Trauernd sah Tom einer Fritte hinterher, die ihm von dem Riesenberg gefallen war. Zum Trost hielt sie ihm eine von ihren hin und er biss grinsend hinein, bevor sie sich den Rest selbst in den Mund schob.
    »Aber«, er pikste das erste Stück Wurst auf und hielt es bedeutungsvoll über den Tisch, »nichts geht über …«
    » Konnopkes Currywurst!« Sie lachten gleichzeitig.
    »Weißt du, ich hab so lange auf eine anständige Currywurst verzichtet, dass es mir fast egal ist, von wem sie kommt.« Das erste Stück voll mit triefender Soße fand den Weg in ihren Mund. Sie schloss die Augen und genoss die leichte Schärfe auf ihrer Zunge.
    »Na dann, erzähl mal. Wie ist es so in London?«, fragte er zwischen zwei Happen.
    »Der Wahnsinn!« Sie schleckte sich einen Tropfen Soße von den Lippen. »Ich habe unglaublich viele Leute kennengelernt und so unfassbar viel Musik gemacht. Du glaubst es vielleicht nicht, aber ich habe in den letzten zwei Jahren mehr gelernt als während meines Studiums. Und natürlich haben wir sehr, sehr viel gearbeitet. Aber das Ergebnis kennst du ja schon.« Ein weiteres dickes Wurststück verschwand zwischen ihren Lippen. »Was ist mit dir?«, fragte sie kauend. »Machste auch noch was anderes außer diesem Tonstudioding und wieder in deinem Job, zu arbeiten?«
    »Ts, das klingt ganz schön abfällig, wenn du es so sagst.« Er hob beleidigt eine Augenbraue und wandte den Blick von ihr ab.
    »Tschuldige, war nicht so gemeint.«
    »Weißt du, ich mag meinen Beruf und außerdem gibt es einen guten Grund, warum ich ein regelmäßiges Einkommen bevorzuge.« Jetzt grinste er wieder breit. Breiter als breit. Er strahlte und es kam aus tiefsten Herzen. Dieses Funkeln in seinen Augen hatte sie zuvor bei ihm noch nie gesehen.
    »Ich bin Vater geworden!«
    »Du bist was?!«, stieß sie erschrocken aus, wobei ihr beinahe ein halb zerkautes Stück Wurst wieder aus dem Mund fiel. Ihre Brust verkrampfte sich. In ihr starb alles, was auch nur annähernd den Namen Hoffnung trug. Und doch konnte sie es nicht fassen. Er war Vater geworden! Einfach so und es schmerzte sie so unerwartet heftig, dass sie hier in aller Öffentlichkeit mit den Tränen kämpfte.
    Er bemerkte es nicht und zog stattdessen ein Foto aus seiner Tasche. Dieses schob er ihr über den Tisch zu.
    »Das isser, der kleine Nowak.«
    Sein Honigkuchenpferdgrinsen wurde unerträglich für sie. Höflich nahm sie das Bild zwischen die Finger und starrte auf dieses kleineBündel im Arm seiner Mutter. Ein »Wow!« rang sie sich ab. Gott, sie konnte mit Kindern so gar nichts anfangen. Am besten hielt man alles, was unter einem Meter groß war, fern von ihr. Die meisten Gören rannten sowieso immer schreiend vor ihr weg. Und jetzt stand dieser verdammte Kerl, der sich in den letzten Jahren immer tiefer in ihr Herz gebohrt hatte, vor ihr und präsentierte voller Stolz die Frucht seiner Lenden. Es schmerzte. Es schmerzte so sehr, dass sie ihn am liebsten hier ohne weiteren Kommentar stehen lassen wollte. Noch einmal wagte sie einen Blick auf das Bild. Die Mutter des Kleinen kam ihr ziemlich bekannt vor. Sie hatte dieses Gesicht schon

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